Rohstoff für den Bau der modernen Schweiz

Der Bau der Gotthardbahn Ende des 19. Jahrhunderts war der Beginn einer Blütezeit für die Steinbrüche im Kanton Uri. Der Gotthard-Granit wurde auch für die Mittlere Brücke in Basel und das Bundeshaus in Bern verwendet, wie eine Ausstellung in einem Steinbruch in Wassen eindrücklich zeigt.

Gleich hinter dem Bahnhof Wassen im Kanton Uri stösst man neben dem Wanderweg auf alte Schienen, die nicht zur Gotthardbahn gehören: Die Spurweite ist viel zu schmal, und sie sind verbeult. Errichtet wurden sie für Wägelchen, die von Hand geschoben wurden und dem Abtransport von Granit dienten. Wir befinden uns im stillgelegten Steinbruch Antonini, das Areal gehört heute der SBB. Hier errichtete der aus Wassen stammende Heinz Baumann mit ein paar Freunden vor drei Jahren ein Freilichtmuseum. Welches ist der Grund für sein Engagement? «Mein Grossonkel hat noch hier im Steinbruch gearbeitet», sagt Baumann später am Telefon.

Die rostigen Schotterwägelchen sind auch zu sehen, mit denen die Arbeiter damals die schweren Lasten zu einer Stelle unmittelbar über dem Bahnhof Wassen schoben. Von dort konnten die Steine – unverwüstlicher Gotthardgranit – mit Winden und Kranen direkt in die Bahnwagen verfrachtet werden. Der Schotter wurde über eine Rampe in die Wagen geschüttet.

Der Bau der Gotthardbahn (1872 bis 1882) hat den Steinbrüchen im Kanton Uri wie dem nach einer italienischen Unternehmerfamilie benannten Antonini gleich auf doppelte Weise zu einem Schub verholfen. Einerseits benötigte die Bahn für den Bau der zahlreichen Viadukte, Stützmauern und Tunnels eine Unmenge an Granitsteinen. Andererseits ermöglichte es die fertiggestellte Bahn, die Steine in der ganzen Schweiz und im Ausland zu verkaufen. So wurde zum Beispiel die Mittlere Rheinbrücke, die 1902 bis 1905 neu errichtet wurde, zu einem grossen Teil aus Granit aus dem Antonini-Steinbruch gebaut. Auch im Bundeshaus wurde der Stein verwendet.

Während der Blütezeit fanden allein in den Steinbrüchen um Wassen rund 200 bis 300 Menschen Arbeit, wie die Schautafeln in dem Freilichtmuseum erzählen. Die Arbeitskräfte stammten meist aus Italien und dem Elsass, die Bedingungen waren hart. Die Steinmetze arbeiteten im Akkord, und es konnte sein, dass sie zwei Wochen lang eine Steinsäule bearbeiteten, und diese dann zerbrach. Das bedeutete: kein Lohn und nochmals von vorne anfangen. Kein Wunder, kam es immer wieder zu Streiks.

Maschinen kamen in den Urner Steinbrüchen erst nach dem Zweiten Weltkrieg zum Einsatz. Es waren Kompressoren, mit deren Hilfe die Steine gespalten wurden. Zuvor gab es ausschliesslich Schwarzpulver, um den Fels zu sprengen. Der alte Kompressor, der in einer Hütte steht, kann noch besichtigt werden. Fotos und Werkzeuge von früher sind dort ebenfalls ausgestellt. Im Jahr 1973 musste der Steinbruch aus wirtschaftlichen Gründen schliessen.

Das Museum, das von Mai bis November geöffnet ist, gibt einen guten Einblick, wie der Gotthardgranit abgebaut wurde und welchen Einfluss Verkehrsverbindungen auf die Entwicklung eines Tals hatten. Initiator Baumann möchte das Museum weiter ausbauen. «Wenn ich pensioniert bin, habe ich mehr Zeit dafür.» Um die Abbaumethoden noch anschaulicher zu machen, überlegt er sich, für das Publikum eine kontrollierte Felssprengung durchzuführen.

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