«Ein ganzer Blumenstrauss an Massnahmen ist nötig»

Prof. Dr. Paul Wittenbrink hat eine Professur für Transport und Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach und ist Gesellschafter der hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung in Karlsruhe. Der anerkannte Logistikexperte blickt nicht nur als Wissenschaftler mit einem scharfen Blick von aussen auf die aktuelle Situation. Sondern er kennt als früheres Mitglied der Geschäftsleitung von SBB Cargo, das Erstellen einiger Studien zur Schweizer Verkehrspolitik und Beratungsprojekten im Land auch die Schweizer Güterverkehrslandschaft sehr gut von innen.

Prof. Dr. Paul Wittenbrink
Prof. Dr. Paul Wittenbrink hat eine Professur für Transport und Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach und ist Gesellschafter der hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung in Karlsruhe

Von aussen betrachtet: Ist die Schweiz ein Vorbild, wenn es um den Gütertransport geht?
Paul Wittenbrink: Die Schweiz ist sicherlich ein Vorreiter in Sachen Schienengüterverkehr. In einem Land mit diesen topographischen Bedingungen und den vergleichsweise geringen Distanzen im Binnenverkehr einen Schienenanteil von 25 % zu erzielen, ist schon eine Leistung.

Gibt es noch eine Chance für den Einzelwagenverkehr in Europa?
Paul Wittenbrink: Aufgrund der Gewichts- und Volumenvorteile, sowie der relativen Personalkosten- und Energiekostenvorteile des Schienensystems an sich, wird der Einzelwagenverkehr mit klassischen Waggons auch in Zukunft benötigt und ist nur bedingt durch den Kombinierten Verkehr ersetzbar. Natürlich sind hier auch Länder wie Italien und Frankreich gefragt, die den Wagenladungsverkehr schon fast abgeschafft haben oder gerade dabei sind. Sind die Transporte erst einmal auf den Lkw umgestellt, kommen diese kaum mehr auf die Schiene zurück.

Und wie kann man ihn retten?
Paul Wittenbrink: Der Einzelwagenladungsverkehr braucht auch effiziente Rahmenbedingungen, Planungssicherheit und realistische Ziele. Nicht zuletzt sind die Kunden gefragt, indem sie langfristig auf das System setzen, mehr feste Kapazitäten buchen und auch unkonventionelle Lösungen entwickeln.

Wie wird der Schienengüterverkehr insgesamt attraktiver?
Paul Wittenbrink: Hier ist ein ganzer Blumenstrauss von Massnahmen notwendig. Beispiele dafür sind der verstärkte Aufbau und die Einbeziehung von Speditionen. Auch die Überprüfung der hohen Fertigungstiefe im Schienengüterverkehr oder eine stärkere, auch relations- und regionsbezogene Verantwortung. Die Verschlankung und Prozessoptimierung muss weitergehen. Ausserdem brauchen wir Innovationen und mehr Wettbewerb um die besten Lösungen. Die Entbindung vom Versorgungsauftrag der Güterbahn, wie er in der Schweiz derzeit diskutiert wird, ist aus meiner Sicht ebenfalls sehr wichtig. Genauso wie die Abschaffung der starren Priorisierung des Personenverkehrs auf bestimmten Strecken und zu gewissen Tageszeiten.

Welche Rolle spielen neue Terminals?
Paul Wittenbrink: Es geht um die Bündelung der Verkehre. Zu viele Terminals tragen nicht zu diesem Ziel bei. Gerade in der Schweiz mit ihren relativ geringen Distanzen empfiehlt sich deshalb eher eine Konzentration auf nur wenige Terminals, an denen durch die starke Bündelung dann auch gute Leistungsangebote möglich sind.

Die jüngste Ausgabe vom Cargo Magazin beleuchtet die Frage «Schienengüterverkehr – Vorbild Schweiz?».

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