Wer den Schaden hat…

Kriminalität im Transportbereich gestern – heute – morgen. Die Transportbranche sieht sich einem gravierenden Anstieg von Diebstählen gegenüber. Diesem Phänomen ist René Mörgeli, von der Insurance- and Risk Services GmbH, aus europäischer Perspektive nachgegangen.

Ein alarmierendes Wachstum nicht nur der Schadenfälle, sondern auch eine markante Zunahme der Deliktsummen beunruhigt und verunsichert die Speditions- und Transportbranche zusehends. Wo kommt dieses «Phänomen» her, wem kann, soll und darf man noch vertrauen, wie kann man sich wirkungsvoll gegen diese Negativ-Spirale schützen?

TransporterÜberproportionale Zunahme

Blenden wir zurück: In den wirtschaftlich guten Jahren von 1970 bis 2000 stieg die Anzahl der Transportschäden analog der Wirtschaftsentwicklung und auch die Transport-Kriminalität an, sie konnte aber in Europa in den geografischen Bereichen Italien, Frankreich sowie dem «Bermuda-Dreieck» Holland, Belgien und England relativ gut verortet werden. Mit dem globalen Siegeszug der IT, dem «Just-in-time»-Prinzip im internationalen Industrie- und Handelsbereich, der Erweiterung der EU Richtung Osten, aber auch mit der Verknappung verschiedener Rohstoffe veränderte sich die Logistik-Landschaft indessen in den vergangenen 15 Jahren dramatisch: Mittlerweile sprechen wir von ca. 200 000 Transport-Diebstählen p.a. in Europa mit einer Deliktsumme von ca. 15 bis 20 Mrd. CHF. Die geschätzten Kollateralschäden dürften das Vierfache dieser Summe betragen.

Während es bei den bekannten neuralgischen Gebieten Italien, Frankreich, Holland, Belgien und England geblieben ist, rückten in den letzten Jahren vor allem die aufstrebenden osteuropäischen Länder in den Fokus. Kombiniert mit den immer populärer werdenden Internet-Frachtenbörsen sind europäische Lkw-Transporte zu einem wahren Einkaufsparadies für osteuropäische Kriminelle geworden. Sie können im Internet – ähnlich einem Weihnachts-Basar – auswählen, was ihr Herz begehrt:

René Mörgeli
René Mörgeli

Durch gefälschte Unterlagen erschleichen sie sich Zugang zu den Frachtenbörsen, und mit Discount-Angeboten erhalten sie problemlos die ihnen als lukrativ erscheinenden Sendungen. Dabei benützen sie oft rechtschaffene Transportfirmen, ändern kurz nach Warenübernahme der Frächter die Destination (was an sich nicht einmal so unüblich ist) und dirigieren die Fracht in kurzfristig angemietete Lager z. B. in Polen oder Rumänien um.

Gefragt sind Luxusgüter aus dem IT-Bereich (Handys, PC, Tablets), aber auch Energy-Drinks sowie Rohstoffe (Kupfer etc.), welche sich leicht auf dem osteuropäischen Markt absetzen lassen. Die verlorenen Warenwerte sind beträchtlich. Beispiele wie 20 t Metall im Wert von 1 Mio. CHF, fünf Komplettladungen mit Energy-Drinks im End-Verkaufspreis von rund 7 Mio. CHF und 155 Sendungen mit Digitalkameras im Wert von rund 25 Mio. CHF, welche in einem EU-Lager gesammelt und anschliessend nach Osteuropa verschoben wurden, sind keine Seltenheit.

Keine Trendwende in Sicht

Die Tendenz ist eindeutig. Immer mehr professionell agierende Kriminelle entdecken dieses lukrative Feld – zu Lasten der westeuropäischen Hersteller und zum Nachteil von deren Speditions-, Transport- und Versicherungs-Partnern. Solange dieses Feld politisch unattraktiv bleibt (und das wird es in absehbarer Zukunft), der Margendruck der produzierenden Wirtschaft anhält und sich der Kostendruck auf den Transportfirmen nicht entschärft, ist keine durchgreifende Verbesserung dieser Situation in Aussicht. Es bleibt z. B. schlicht kein Raum für Investitionen im Sicherheitsbereich (auf welcher Ebene auch immer). Es bleibt bei «Pflästerli-Politik» in Form von Empfehlungen und punktuellen Alibi-Übungen. Offensichtlich ist aber auch der Leidensdruck der direkt Beteiligten (Verlader, Frachtführer und Versicherungen) noch nicht gross genug, um sich dieser Entwicklung entschieden und konsequent entgegen zu stellen.      René Mörgeli

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