Das Ende des Depots Erstfeld

Im Urner Dorf Erstfeld geht ein Stück Eisenbahnergeschichte zu Ende. Ende April hat die markante Lok-Werkstätte von SBB Cargo den Betrieb eingestellt.

Als Engelbert Baumann vor über 25 Jahren in der Reparaturwerkstätte von SBB Cargo in Erstfeld begann, flickte er die berühmte Krokodillok, die sich damals noch im regulären Betrieb befand. Diese Zeiten sind längst vorbei, und kürzlich endete auch ein anderes Kapitel. Ende April stellte SBB Cargo den Betrieb in der Werkstätte ein, die gleich gegenüber vom Bahnhof Erstfeld liegt. Mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels braucht es sie nicht mehr, Lokomotiven wie die Re 420 und Re 620 werden künftig in Chiasso, Dietikon und Basel und Brig in Schuss gehalten.

Bisher wurden viele Güterzüge in Erstfeld neu formiert, es brauchte zum Passieren der Gotthard-Bergstrecke manchmal eine zweite oder gar eine dritte Lok, sagt Baumann, der Leiter der Werkstatt, bei einem Besuch kurz vor der Schliessung. Dies ist mit der Flachbahn nicht mehr nötig. Bis zu 2000 Tonnen schwere Züge können mit einer Maschine durch den neuen Basistunnel gezogen werden, dessen Nordportal sich ebenfalls in Erstfeld befindet. Auch das örtliche Lokführerdepot wird geschlossen.

«Die letzten Spezialisten haben eine andere Arbeit gefunden», sagt Baumann, der selbst aus dem Eisenbahnerdorf stammt, zur Schliessung der Werkstatt. Sein grösstes Anliegen ist es, dass auch das restliche Personal, zurzeit noch eine Handvoll Mitarbeitende, einen Job findet. Da viele schon gegen 60 gehen oder sogar darüber hinaus, ist dies kein einfaches Unterfangen.

Als er begann, da hatte die Anlage noch 51 Mitarbeitende. Es gab Oberlokomotivführer und Depotinspektoren – Berufe, die heute nicht mehr existieren. Während vielen Jahren bildete man auch Lehrlinge aus, manche davon sind noch heute bei der SBB tätig. «Der Aufwand hat sich für das Unternehmen sicher gelohnt», meint Baumann dazu. Ein Höhepunkt war das Einbauen der Funkfernsteuerung für die Streckenloks Re 420 und Re 620.

Auf einem kleinen Rundgang durch die markante Lokremise zeigt Baumann die vielfältigen Aufgaben, die er mit seinem Team bewältigte. Stolz präsentiert er eine Schleifmaschine für Radsätze (kleines Bild unten rechts), mit denen nur der oberste Bereich der Räder abgeschliffen wird: «Dies ist im Gegensatz zum heute üblichen Abdrehen viel materialschonender und verursacht einen kleineren Verschleiss.» Die Remise wurde mit der Elektrifizierung der Gotthardstrecke 1922 gebaut und ist denkmalgeschützt. Sie darf nicht abgebrochen werden. Einige Loks warten auf die Reparatur. Für das Verschieben von einem Gleis aufs andere steht draussen eine alte Schiebebühne zur Verfügung, die noch funktioniert. Sie wurde schon anno 1914 an der Landesausstellung in Bern gezeigt und dann vier Jahre später in Erstfeld montiert, wie alte Dokumente belegen.

Zwar bleiben Arbeitsplätze im Eisenbahnerdorf, das Erhaltungs- und Interventionszentrum (EIZ) für den Gotthardbasistunnel steht gleich daneben. Das ist aber etwas anderes. Für sich selbst macht sich Baumann keine Sorgen. Mit 61 ist er noch zu jung für die Pension, er ist aber bereits für ein Projekt vorgesehen, bei dem sein Fachwissen und seine Erfahrung gefragt sind.

Die Kunden der Reparaturwerkstätte in Erstfeld schätzten laut Roland Kuster, Leiter Instandhaltung bei SBB Cargo, die Hilfsbereitschaft bei ungeplanten Ereignissen und die professionelle Ausführung der Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten. «Die Serviceanlage Erstfeld und ihre Mitarbeitenden bleiben als Vorbild und Massstab für andere Werke der Instandhaltung in bester Erinnerung», erklärt er.

Bereits einen anderen Job macht ein ehemaliger Mitarbeiter, der auf einmal auftaucht und Baumann freudig die Hand schüttelt. Der Mann, auch ein Urner, wies früher die Loks in die Werkstätte ein und arbeitet jetzt für die Transportpolizei. Er begleitet eine Klasse beim Besuch des Schul- und Erlebniszugs, der gerade in Erstfeld weilt. Statt bei Maschinen schaut er jetzt bei jungen SBB-Enthusiasten für die richtige Reihenfolge und Ordnung.

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