Wo kein Wille, ist auch keine Schiene

Erstmals seit der Krise 2009 hat die Verkehrsleistung der Güterbahnen in Deutschland im Jahr 2015 wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Trotzdem ist die Stimmung in der Branche nicht sehr gut.

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Die langjährige Stagnation scheint überwunden zu sein: Sieben Jahre nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise hat das Transportvolumen im Schienengüterverkehr in Deutschland erstmals wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Wie aus dem aktuellen Wettbewerbsbericht der Deutschen Bahn hervorgeht, lag die Verkehrsleistung 2015 bei 116,6 Milliarden Tonnenkilometern und damit leicht über den Ergebnissen von 115,7 Milliarden im Jahr 2008.

Auch die Zahlen in den ersten Monaten 2016 sind positiv: Bis Ende April wurden 38,4 Milliarden Tonnenkilometer gefahren, im gleichen Vorjahreszeitraum waren es 36,7 Milliarden gewesen. Der Anteil des innerdeutschen Verkehrs lag laut dem Bericht bei 51 Prozent. 37 Prozent des Volumens entfielen auf den grenzüberschreitenden Verkehr, im Transit waren es rund 11 Prozent.

Besonders dynamisch entwickelten sich 2015 – wie bereits in den Vorjahren – mit einem Marktanteil von inzwischen 39,1 Prozent die Wettbewerber der DB Cargo (früher DB Schenker Rail) auf dem deutschen Schienennetz. 2003, zehn Jahre nach der Liberalisierung des Bahnmarktes, hatten sie erst sechs Prozent Marktanteil. Wie das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen e.V. errechnet hat, liegt ihre Verkehrsleistung inzwischen bei mehr als 40 Milliarden Tonnenkilometern.

Allerdings ist 2015 auch der Gütertransport auf der Strasse kräftig gewachsen, sodass der Marktanteil der Schiene in Deutschland mit 17,6 Prozent weiter stagniert und noch nicht wieder das Vorkrisenniveau von 17,7 Prozent erreicht hat. Immer noch bestehen erhebliche Kostennachteile der Güterbahn gegenüber der Strasse: Lastwagen-Spediteure profitieren gegenwärtig von billigen Treibstoffen, geringen Mautsätzen und vergleichsweise niedrigen Löhnen. Dagegen kämpft der Schienenverkehr mit steigenden Stromkosten, höheren Trassenpreisen und wachsenden Personalausgaben.

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Dies führt in der Branche auch trotz des neuen Rekords zu einer pessimistischen Grundstimmung in der Branche. Laut einer aktuellen Umfrage unter Mitgliedern des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen geht etwa die Hälfte der Befragten von einer weitgehenden Stagnation des Schienengüterverkehrs in den nächsten Jahren aus. Nur eine Minderheit von 22,6 Prozent rechnet mit einem wachsenden Verkehrsanteil in den kommenden beiden Jahren.

Und gerade einmal 5,6 Prozent prognostizieren ein starkes Wachstum, während 28 Prozent sogar einen Rückgang sehen. Das grösste Problem sei eine unzureichende oder marode Infrastruktur, während die Befragten ebenso zu viel Bürokratie und Reglementierung als störenden Faktor identifizieren. Das drittgrösste Problem ist laut der Studie der ungleiche Wettbewerb zwischen Strasse und Schiene.

Fazit der Befragung: «Der Schienengüterverkehr in Deutschland befindet sich in einer Krise. Seit vielen Jahren dümpelt er mit einem Verkehrsanteil von rund 17 Prozent vor sich her. Zum Vergleich: In Österreich werden 27,2 Prozent der Güter und in der Schweiz gar 38 Prozent auf der Schiene befördert». Ein an der Studie teilnehmendes Unternehmen fasste diesen Zustand in einem kurzen Satz so zusammen: «Wo kein Wille ist, ist auch keine Schiene».

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