Höchste Eisenbahn für den digitalen Güterwagen

Der Schienengüterverkehr wird intelligent und vernetzt: mit Bosch Engineering – Sensoren erfassen exakte Position, Laufleistung und Temperatur – Partnerschaft mit SBB Cargo.

Digitalen Güterwagen
Fotos: Hörner, BEG

Gleise, nichts als Gleise: Bis zum Horizont reicht das Areal aus Stahl und Schottersteinen. Darüber spannt sich ein Netz aus Drähten und Leitungen, gehalten von senkrecht nach oben ragenden Strommasten. Eine gewaltige, blaurote Diesellok schiebt einen flachen Wagen, beladen mit einem weissen Container. Auf einem anderen Gleis zieht eine Lok eine Kette aus leuchtend gelben Wagen, «Millionen Briefe täglich» steht darauf. Monoton rattern die Räder der Waggons über die Schienen, das metallene Kreischen der Bremsen erfüllt die Luft des Rangierbahnhofs Limmattal in der Nähe von Zürich. Einem der grössten in Europa und zugleich das Herzstück des Gütertransports der Schweizerischen Bundesbahn SBB.

Deren Tochter, SBB Cargo, ist der strategische Partner der Bosch Engineering (BEG) auf der Fahrt ins digitale Zeitalter des Schienengüterverkehrs. Hierfür ist es höchste Eisenbahn. «In dieser Branche hat sich in den vergangenen 50 Jahren technologisch nicht viel getan», sagt René Höpfner. Der Ingenieur für Automationstechnik leitet bei der BEG das Projekt «Intelligenter Güterwagen». Kernstück der Digitalisierung ist eine kleine Box mit Sensoren, die an den Güterwagen befestigt wird. «Temperatur, Laufleistung und Position – alles wird genau erfasst und an die Leitstelle der Eisenbahnunternehmen gesendet. Anhand der Daten sind die Kunden besser informiert und die Waren kommen schneller ans Ziel», erzählt René Höpfner begeistert. Der gebürtige Berliner ist wie ein Güterzug. Einmal in Fahrt, ist er kaum zu bremsen.

Digitalen Güterwagen
Anja-Maria Sonntag. Fotos: Hörner, BEG

Und er blickt zurück, auf die Anfänge des Projekts im Jahr 2012. Auf der Suche nach neuen, zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern für Bosch ist Höpfner damals auf die Bahn gestossen. Und er hatte die Idee, den Güterwagen zum intelligenten und vernetzten Transportmittel zu machen. Mit Hilfe erprobter Technik aus dem Automobilbereich. Es folgten Gespräche mit verschiedenen Eisenbahnunternehmen. Insbesondere bei der innovativen SBB Cargo standen die Signalleuchten auf grün. «Eine glückliche Fügung», wie Anja-Maria Sonntag betont. «Wir waren zum gleichen Zeitpunkt auf der Suche nach einem Partner mit Digital Know-how», sagt die Leiterin des Projekts Transformation Asset Management, dessen Auftrag es ist, SBB Cargo in eine digitale Zukunft zu führen. Schon bald stellten die BEG und das Schweizer Bahnunternehmen die Weichen für eine Partnerschaft, Mitte 2015 vereinbarten sie schliesslich eine strategische Zusammenarbeit.

Zu Jahresbeginn waren insgesamt mehr als 300 Güterwagen mit dem «System zur Zustandsüberwachung», wie die bahnbrechende Innovation offiziell bei der BEG heisst, ausgestattet. Getestet wurde die Technik auf Bahnstrecken vor allem in Europa, aber auch in Nordamerika und Australien. Rund die Hälfte der Testwagen entfiel auf SBB Cargo, die anderen auf eine ganze Reihe von Eisenbahnunternehmen, mit denen die BEG auch kooperiert. Seit Juli werden die Systeme in Serie produziert: im Bosch-Werk in Wuxi. Und die Absatzzahlen nehmen Fahrt auf. Anfang kommenden Jahres sollen bereits mehr als 2000 Güterwagen digital unterwegs sein.

Positive Resonanz der Kunden

Digitalen Güterwagen
Fotos: Hörner, BEG

Mit dem neuen System ist die BEG nicht nur technologisch, sondern auch wirtschaftlich in der Spur. Davon ist Projektleiter Höpfner überzeugt: «Es ist das richtige Produkt zur richtigen Zeit.» Die Resonanz der Kunden jedenfalls sei positiv. Auch beim strategischen Partner SBB Cargo. Die Vernetzung der Waggons sei ein ganz wichtiger Schritt, um den Schienengüterverkehr im Wettbewerb mit dem Gütertransport auf der Strasse zukunftsfähig zu machen, betont Anja-Maria Sonntag. Aber nicht der Einzige, so die SBB-Projektleiterin: «Echte Einsparungen gibt es nur, wenn die gewonnenen Daten auch genutzt werden, um die bisherigen Prozesse entsprechend anzupassen. Zum Beispiel bei der Einsatzplanung der Wagen, also welcher Wagen wo am wirtschaftlichsten auf die Strecke geschickt wird, bei der Logistikplanung oder der Planung der Wartungsintervalle.»

Noch sind auf dem Rangierbahnhof Limmattal zwar die allermeisten Waggons ohne Sensoren unterwegs. Doch die digitale Revolution auf der Schiene ist nicht mehr aufzuhalten. Daran lassen sowohl René Höpfner als auch und Anja-Maria Sonntag keinen Zweifel. Und sie denken daran, schon die nächste Innovation aufs Gleis zu setzen: die autonom fahrende Rangierlok.

Quelle: Bosch Zünder N° 3 / 2016

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