Jedes Pult hat acht Bildschirme. Es könnte der Arbeitsplatz eines Börsenhändlers sein. Doch hier geht es nicht um Aktienkurse, sondern um Güterzüge, die auf dem schweizerischen Schienennetz unterwegs sind. Es ist 19.10 Uhr am Montagabend beim Dispoteam von SBB Cargo in Olten. Hier laufen die Fäden von Kundeninfo, Zug- und Sendungsüberwachung, Lok- und Personaldispo zusammen. Gleich ist Schichtwechsel. Der Raum mit den zehn Arbeitsplätzen ist von Stimmengewirr, Sprachfetzen und Telefonläuten erfüllt. In Zweierteams wird die aktuelle Lage besprochen, dann übernehmen die Kollegen von der Spätschicht die Verantwortung. Einer von ihnen ist Cihan Yilmaz, der heute Abend für die Disposition der Lokführer im Raum Nord-Süd zuständig ist. Gerade organisiert er am Telefon den Austausch von zwei Lokführern.
«Briefing!», ruft Schichtleiter Senol Kasan punkt 20.15 Uhr durch den Raum. Das Team versammelt sich vor dem Flipchart. «Der Unterbruch zwischen Luxemburg und Belgien dauert noch bis nächste Woche.» Im Import-Export-Verkehr laufe alles normal, aber für die Nord-Süd-Achse und den Osten müsse man nach Lokpersonal für eine Extrafahrt suchen, das am nächsten Tag um 11 Uhr von Chiasso nach Hägendorf fahren könne. «Habt ihr offene Touren? Gibt’s etwas Besonderes beim Wagenladungsverkehr? Sendung?», fragt Kasan. «Nichts», lautet die Antwort, alles ist in Ordnung.
Pizza für alle am Freitag.
Dann verfolgen alle das Geschehen auf ihren Bildschirmen. Einer davon wird kontinuierlich mit den aktuellsten Nachrichten des Informationssystems ALEA gefüttert. Darauf informiert die Division Infrastruktur von Bern aus über Ereignisse, die den Verkehr beeinträchtigen. Neben Personenunfällen geht es häufig um Stellwerk- oder Weichenstörungen. Oder um Zugskontrolleinrichtungs-Alarme: Wenn möglich, wird der verdächtige Wagen ausrangiert, damit der restliche Zug weiterfahren kann.
«Bei grösseren Vorfällen wie einem Stromausfall kommt es nicht drauf an, wann sie geschehen. Er hat sowieso eine Auswirkung auf die Nacht und den ganzen nächsten Tag», sagt Christine Godet, die Leiterin der Kundeninfo. Ereignisse in der Nacht seien dann kritisch, wenn sie die Kunden betreffen, die den Nachtsprung auf der Schiene nutzen und ein Camion am nächsten Morgen auf Waren wartet. Von solchen Ereignissen bleibt die heutige Nachtschicht bis jetzt verschont. Um 22 Uhr holen sich die ersten Mitarbeiter einen Kaffee. Die meisten nehmen ihr Essen von zu Hause mit; jeweils freitags gibt’s Pizza für alle.
Guten Morgen – gute Nacht.
Um 1.00 Uhr sorgt eine Triebfahrzeugstörung zwischen Basel Badischer Bahnhof und Basel SBB für Aufwand: Das Team muss einen neuen Lokführer finden, der mit einer Hilfslok zum Zug fährt. Dabei muss es darauf achten, dass der Lokführer seine gesetzlich vorgeschriebene Lenkzeit noch nicht überschritten hat. Um 4.30 Uhr morgens ist auch für die Dispo die Nachtschicht zu Ende. «Es war vergleichsweise ruhig», sagt Lokführerdisponentin Sandy Uhlig Fischer. «Ich erlebe auch oft Nachtschichten, wo ich dauernd unter Spannung stehe, weil wir mehrere Züge zusammenlegen müssen, da es nicht genügend Trassen gibt. Parallel dazu müssen wir oft noch Verspätungen auffangen und neu disponieren.»
Nun packt sie ihre Dinge zusammen, es hallt «guten Morgen, gute Nacht» durch die Arbeitsplätze – und die Frühschicht übernimmt das Ruder.