SBB Cargo saniert Geschäft und stärkt System-Wagenladungsverkehr zwischen Wirtschaftsräumen.

Der Güterverkehr wandelt sich fundamental: Während SBB Cargo International sein Ergebnis 2017 verbessern konnte, ist die Nachfrage im Einzel-Wagenladungsverkehr in der Schweiz eingebrochen. Die Güterbahn stellt sich deshalb neu auf: Sie stärkt den System-Wagenladungsverkehr für die effiziente Versorgung der Wirtschaftsräume. Im kleinteiligen, unregelmässigen Einzel-Wagenladungsverkehr werden bis 2023 rund 170 Bedienpunkte gemeinsam mit den Kunden auf Alternativen überprüft. Ziel ist, 2020 wieder eine schwarze Null zu erreichen und mit diesem Plan fit für Partner zu sein, die das Geschäft strategisch mitgestalten.

Nachdem SBB Cargo Schweiz in den vergangenen Jahren das Geschäft umfassend saniert hat und 2013, 2014 sowie 2016 seit langer Zeit wieder positive Ergebnisse schrieb, steht die Güterbahn erneut stark unter Druck. SBB Cargo International konnte das Ergebnis 2017 trotz dem siebenwöchigen Streckenunterbruch in Rastatt (D) verbessern. Dagegen war der System-Wagenladungsverkehr von SBB Cargo zwischen Schweizer Wirtschaftsräumen mit einem Minus von 0,8 Prozent bei den beladenen Wagen leicht rückläufig, der Transport von kleinteiligen und unregelmässigen Mengen im Einzel-Wagenladungsverkehr mit einem Minus von 14,5 Prozent stark rückläufig. Dieser Rückgang hat sich entgegen den gemeinsamen Entwicklungsplänen mit den Kunden beschleunigt – auch weil der Trend hin zu kleineren Sendungsgrössen und mehr Flexibilität zugenommen hat und dies noch weiter tun wird.

SBB Cargo Schweiz wird deshalb das Jahr 2017 mit einem operativen Verlust von minus 37 Millionen Franken abschliessen und aufgrund der zu erwartenden Geschäftsentwicklung eine Wertberichtigung im Umfang von 189 Millionen vornehmen (siehe Kasten). Dazu kommen Rückstellungen von 19 Millionen für die Restrukturierungsphase. Zwingend mit der Wertberichtigung verbunden ist ein Sanierungs- und Weiterentwicklungsprogramm, um die Güterbahn fit für Partnerschaften zu machen: SBB Cargo wird zu einem schlanken, auf Kundenbedürfnisse und die Stärken der Bahn ausgerichteten Unternehmen. Die herausfordernde Zielsetzung ist, dank Automation und weiterer Effizienzsteigerung in der Verwaltung die Stellung in der Logistikkette zu behaupten. Die Mengen im Wagenladungsverkehr sollen bis 2025 nur noch leicht zurückgehen. Die Annahmen dazu sind anspruchsvoll, da die Bahn im Wettlauf mit den technologischen Fortschritten der Strasse steht. Grundsätzlich wird die Umsetzung der Weiterentwicklung immer wieder an der realen Entwicklung von Markt und Mengen gemessen.

Fokus System-Wagenladungsverkehr, dazu flexible Direktverbindungen.

Heute werden 90 Prozent der Wagen über etwa die Hälfte der 344 Bedienpunkte transportiert. Die SBB will diesen System-Wagenladungsverkehr in Wirtschaftsräumen mit grossen Gütermengen weiter stärken und den Kunden ein regelmässiges, zuverlässiges und hochleistungsfähiges Angebot bieten – denn dort liegen die Stärken der Bahn. Mit schnelleren und häufigeren Verbindungen, reservierten Trassen und nicht zuletzt dank der Automation wird die Bahn auch mit steigenden Anforderungen in der Logistikkette der Kunden nachhaltig erfolgreich positioniert. Die mit dem STEP Ausbauschritt 2030/35 vorgesehenen Ausbauten auf der Ost-West-Achse kommen diesem Güterverkehr zugute und unterstützen die Verbesserungen.

Bei der anderen Hälfte der Bedienpunkte mit Einzel-Wagenladungsverkehr steht die Bahn immer stärker unter Druck. Allein zwischen 2011 und 2017 sank die transportierte Menge um über einen Drittel auf durchschnittlich lediglich zwei Wagen pro Tag (siehe Kasten). Deshalb überprüft SBB Cargo gemeinsam und vorausschauend mit ihren Kunden, ob es Alternativen zu einer fixen täglichen Bedienung gibt. Dazu gehören beispielsweise die Bündelung von Verkehren über andere Standorte, die Konzentration von Mengen, regionale Ringzüge, wo sinnvoll die Kombination mit der Strasse, Übergangslösungen oder alternative Finanzierungen beispielsweise durch Kantone. Dabei wird es für die Kunden keine Überraschungen geben, denn Anpassungen in der Logistikkette haben teilweise erhebliche Vorlaufzeiten. Der System-Wagenladungsverkehr soll ab sofort auch in der neu gegründeten Interessengemeinschaft WLV gemeinsam mit der Branche – also mit dem Verband der Verladenden Wirtschaft (VAP) sowie dem Verband öffentlicher Verkehr (VöV) – entwickelt werden. Ziel dabei ist es, die Effizienz und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Wagenladungsverkehrs zu verbessern. In zwei Arbeitskreisen werden einerseits das Bahnangebot in der Logistikkette inkl. Verbesserungen für Abläufe, Effizienz und andererseits der Technologieeinsatz in der Logistikkette für die rasche Umsetzung vertieft.

Bis Ende 2020 werden insgesamt 100 schwach frequentierte Bedienpunkte überprüft. Anschliessend folgt bis Ende 2023 die Überprüfung von rund 70 weiteren Punkten. Parallel zum fixen Netz des Wagenladungsverkehrs kommt ein flexibles Angebot mit Punkt-zu-Punkt-Verbindungen für Sendungen mit spezifischen Kundenbedürfnissen zum Einsatz. Dazu kommen die Angebote im Kombinierten Verkehr.

Automation bringt Produktivitätssteigerungen.

Im Vergleich mit den europäischen Güterbahnen ist SBB Cargo punkto Automation Pionierin, befindet sich aber im Wettlauf mit den technologischen Fortschritten der Strasse. Die Möglichkeiten der Automation und der Digitalisierung wird die Güterbahn aktiv einführen und nutzen und die Mitarbeitenden sorgfältig darauf vorbereiten: Der Einsatz neuer Techniken wie etwa die automatisierte Kupplung verändern beispielsweise den Rangierberuf und machen ihn effizienter und sicherer. Heute ist er von schweren körperlichen Arbeiten geprägt und erfordert Tag- und Nachtarbeit. Während heute ein technischer Kontrolleur den Zug zweimal entlang läuft, übernehmen künftig stationäre Kameras diese Arbeit. Zudem dauert heute die manuelle Bremsprobe bei einem 500 Meter langen Zug bis zu 40 Minuten, automatisiert noch 10 Minuten. Deshalb investiert SBB Cargo bis 2023 90 Millionen Franken: Neben der automatischen Kupplung und Bremsprobe bringen auch Informationssysteme den Kunden mehr Transparenz und Sendungsinformationen in Echtzeit. Die gemeinsame Technologieentwicklung mit Bosch Engineering wird ergänzt und auf zusätzliche Unternehmen ausgedehnt.

800 Stellen abbauen, gleichzeitig 750 Weggänge über natürliche Fluktuation.

In einem ersten Schritt vereinfacht die Güterbahn Prozesse stark, um spätestens 2020 eine schwarze Null zu erreichen und danach reinvestitionsfähig zu werden. Dies hat eine Reduktion von 330 Stellen bis Ende 2020 zur Folge: Rund 100 Stellen in der Verwaltung, rund 80 im Bereich Lokführer sowie ca. 150 Stellen beim Rangierpersonal.

SBB Cargo geht davon aus, per Ende 2023 die Leistungen für ihre Kunden mit voraussichtlich gut einem Drittel weniger Personal – also 1400 anstelle der heute rund 2200 Mitarbeitenden – und damit deutlich effizienter als heute erbringen zu können. Gleichzeitig stehen in den kommenden Jahren mehrere hundert Pensionierungen an; der Altersdurchschnitt von SBB Cargo liegt bei 48 Jahren. So wird die Stellenreduktion sozialverträglich erfolgen: Den 800 abzubauenden Stellen stehen 750 Weggänge über die natürliche Fluktuation gegenüber. Dennoch kommt SBB Cargo nicht umher, auch Stellen zu streichen (Geografie, Zeit, Berufsbild) und im Gegenzug neue Mitarbeitende nachzurekrutieren. Das SBB interne Arbeitsmarktcenter unterstützt Mitarbeitende bei der Stellensuche. Gewisse Mitarbeitende wie beispielsweise Lokführer können in anderen Bereichen der SBB eingesetzt werden. Zentrales Element in dieser Umbruchphase ist die Perspektive für die Mitarbeitenden: SBB Cargo sieht vor, 10 Millionen Franken in die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden und die Aufwertung der Berufsbilder zu investieren, und wird für den Wandel ausreichend Zeit miteinrechnen.

Logistikpartnerschaft: Ab Mitte 2018 sollen Gespräche geführt werden

Mit der angestrebten Partnerschaft will die SBB gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern und Investoren SBB Cargo stärken. Bei SBB Cargo International ist dieses Modell bereits erfolgreich. Ab Mitte 2018 sollen Gespräche mit möglichen Partnern geführt werden, die sich für SBB Cargo als verlässliches und finanziell nachhaltiges Unternehmen stark machen, das Geschäft strategisch mitgestalten, investieren sowie Erfolge und Risiken mittragen. In diesem Rahmen wird der Verwaltungsrat der SBB Cargo AG per Januar 2019 um mindestens eine Drittperson ergänzt. Anschliessend wird abhängig vom Partnerschaftsprozess ein externes Verwaltungsrats-Präsidium eingesetzt. Damit erfüllt die SBB die Ziele des Bundesrates: SBB Cargo wird stärker aus dem Konzern herausgelöst und ab Januar 2019 als Tochtergesellschaft geführt.

Marktentwicklung im Wagenladungsverkehr erfordert Wertberichtigung.

Aufgrund der Markteinschätzung und der Perspektiven für die nächsten Jahre hat SBB Cargo eine umfassende Neubeurteilung des Geschäftsmodells vorgenommen. Auf Basis der angepassten Finanzplanung und bestehender Rechnungslegungsvorschriften wurde ein Impairment-Test durchgeführt. Aus der Prüfung der Werthaltigkeit resultiert eine Wertberichtigung im Umfang von 189 Millionen Franken. Diese Wertberichtigung gingen zulasten des Jahresergebnisses 2017. Ergänzend dazu werden bilanzielle Sanierungsmassnahmen durchgeführt und die Liquidität für die Zukunft gesichert.

Der Sanierungs- und Weiterentwicklungsplan geht mit der Wertberichtigung zwingend einher: Falls dieser nicht umgesetzt wird, steuert SBB Cargo in eine Überschuldung (Art. 725 Abs. 2 OR). Konsequenz wäre zunächst eine höhere Wertberichtigung mit weiteren Verlusten in den kommenden Jahren. Dies würde einen massiven Kapitaleinschuss erfordern, um einen potenziellen Konkurs zu vermeiden.

Die Wertberichtigung bei SBB Cargo hat Auswirkungen auf das SBB Ergebnis 2017. Dank dem Effizienzprogramm RailFit20/30 kann diese finanzielle Auswirkung aufgefangen werden. Zusammen mit dem Sanierungs- und Weiterentwicklungsplan macht die SBB ihre Güterverkehrstochter fit für die Zukunft.

Hoher Aufwand für kleine Mengen im Einzel-Wagenladungsverkehr.

Der Einzel-Wagenladungsverkehr ist überproportional ressourcen- und planungsintensiv. Fallen auf einem Bedienpunkt grössere Mengen weg und die Bedienung wird nicht angepasst, erhöhen sich die Stückkosten für die verbleibenden Wagen.

Am Beispiel La Chaux-de-Fonds: Ein Kunde verlagert seine Transporte auf die Strasse, womit ¾ der aktuellen Menge und Umsatz wegfallen. Für die Zustellung der Wagen bei den Kunden in La Chaux-de-Fonds wird aber weiterhin eine Streckenlok mit Lokführer und ein Rangiermitarbeiter ab Biel benötigt. Die Restmenge von ein bis zwei Wagen pro Tag kann nicht mehr effizient produziert werden.

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