So geht Win-win

Von der Genfer Agglomeration auf den Grund des Neuenburgersees: Für den Transport von Aushubmaterial setzt die Firma Gesa auf Bahn und Schiff. Die Zusammenarbeit ist ein klares Bekenntnis für die nachhaltige Bauwirtschaft.

Es ist ein spektakulärer Anblick: Der Schiffsbauch der «Concise» öffnet sich langsam. Das Seewasser sprudelt herauf, während das Aushubmaterial in die Tiefe sinkt. Am Grund des Neuenburgersees endet die Reise des Materials von der Genfer Firma Gravières d’Epeisses (Gesa). Der knapp 100 Kilometer lange Weg dorthin ist eine logistische Meisterleistung. Und ein Gewinn für die Umwelt: Der Gütertransport mit der Bahn ermöglicht Einsparungen von rund 2000 Tonnen CO2 und circa 20 000 Lkw-Fahrten im Jahr.

Glücksfall Renaturierung

Am Anfang stand der Wunsch von Gesa nach einer nachhaltigen Lösung für die nicht weiter verwertbaren Materialien. Rechtlich ist die Rede von unverschmutztem Aushub- oder Ausbruchmaterial, kurz Bauabfall Typ A. Das Problem: Das Unternehmen hatte weit mehr «Abfall» als Möglichkeiten zur Lagerung im Kanton Genf.

Die Lösung kam Ende 2017 von SBB Cargo: Im Neuenburgersee baut Sables et Graviers La Poissine seit über 40 Jahren jährlich gegen 340 000 Tonnen Kies und Sand vom Seegrund ab. 2012 erhielt sie den Auftrag des Kantons Waadt für die Renaturierung. Ziel ist es, den See und die Uferregionen in den Zustand vor der Kiesentnahme zurückzuversetzen. Deshalb schüttet das Unternehmen den See pro Jahr mit 250 000 Tonnen Material wieder auf – dafür geeignet ist Abfall Typ A. Und da war sie, die Win-win-Lösung.

Die Nachhaltigkeit ist Teil unserer Unternehmenskultur, deshalb setzen wir auf die Schiene.
Félix Baiche, Gravières d’Epeisses

Team- und Präzisionsarbeit

Die Schlüsselrolle beim Umsetzen dieses Projekts mit Bahn und Schiff übernahm bei SBB Cargo Projektleiter Éric Wichoud mit Key Account Manager Jacques Cottet. «Dieses Projekt ist einzigartig und hat eine intensive Vorbereitung erfordert», erklärt Wichoud, Owner Ingénieur Baulogistics. Seit 2018 läuft nun der regelmässige Gütertransport durch die Westschweiz. SBB Cargo holt die Wagen in Genf La Praille oder Vernier-Meyrin bei Gesa ab und fährt sie nach Onnens am Neuenburgersee.

Fotos: Fred Merz

Und dort stehen wir frühmorgens an einem regnerischen Dienstag: Das Lichtsignal blinkt, der Güterzug Nummer 68027 fährt auf Gleis 3 in den Bahnhof von Onnens ein. Mit lautem Quietschen bringt der Lokomotivführer von SBB Cargo den Zug zum Stehen. 14 Wagen, 750 Tonnen Fracht. Hier übernimmt Sables et Graviers La Poissine und zieht die Komposition auf das Firmengelände. Während die Wagen dort entladen werden, erklärt uns der stellvertretende Betriebsleiter Thibaut Schönhardt: «Wir arbeiten an einem überirdischen, elektrischen Förderband für den Transport zum Schiff.» Bis dieses realisiert ist, wird die Fracht mit einem Muldenkipper die letzten Meter in den Hafen hinuntergefahren.

Mit dieser Zusammenarbeit können wir den Kreislauf von Abbau und Renaturierung schliessen.
Thibaut Schönhardt, Sables et Graviers La Poissine

Vor Beginn der Coronakrise fuhren wöchentlich sechs Güterzüge mit je 750 Tonnen Material von Genf oder Vernier nach Onnens. Ein Schiff fasst knapp 400 Tonnen Material. Pro Zug braucht es zwei Schifffahrten, um das Material auf den See hinauszubringen. Nach einer Phase des reduzierten Betriebs aufgrund der Coronavirus-Pandemie im Frühling wurde die Zahl der Züge ab Juli sogar noch erhöht. Es ist eine anspruchsvolle Logistikkette. Die regelmässigen Fahrpläne seien ein Segen, sagt Gesa-Betriebsleiter Félix Baiche – und manchmal ein Fluch. «Eine Lastwagenfahrt kann ich kurzfristig absagen oder verschieben, beim Zug ist dies nicht so einfach möglich.»

Gelebte Nachhaltigkeit

Die grossen, regelmässigen Transportvolumen geben den beiden Firmen eine stabile Auslastung und Planungssicherheit. Gesa ist zufrieden mit der Zusammenarbeit. Das Unternehmen könnte das Material günstiger per Lastwagen nach Frankreich exportieren, aber die Nachhaltigkeit ist Teil der Unternehmenskultur. «Auch wenn die Transportkosten mit der Bahn hoch sind und die Organisation streng, unser ökologischer Fussabdruck ist uns wichtig, wir investieren in die Zukunft», erklärt Baiche. Auf dem Platz Genf seien sie bisher noch die einzigen, die klar auf die Schiene setzen würden, und sie hoffen, dass die Kosten sinken werden. «Wir haben bereits die Infrastruktur, und die Prozesse sind eingespielt.»

Es ist geschafft: Das Frachtschiff Concise läuft aus dem kleinen Hafen am Neuenburgersee aus. Der Kapitän navigiert das 45 Meter lange und 300 PS starke Schiff zur Entladezone in Ufernähe. Dann drückt er den Knopf. Und während 400 Tonnen Bauabfall Typ A auf den Grund des Neuenburgersees sinken, laufen bei Gesa in Genf bereits die Vorbereitungen für den nächsten Zug.

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