«Europa hinkt der Schweiz hinterher»

Bei der Förderung des Schienengüterverkehrs hinkt Europa der Schweiz hinterher, meint Geert Pauwels, CEO der belgischen Güterbahn SNCB Logistics. Im zweiten Teil der Serie «Schienengütervekehr – Vorbild Schweiz?» lassen wir auf dem Cargo Blog drei CEO’s von europäischen Bahnunternehmen zu Wort kommen, mit denen SBB Cargo in der Allianz Xrail verbunden ist.

Geert PauwelsDie Bahn erreicht in der Schweiz im Vergleich zu anderen europäischen Ländern überdurchschnittliche Marktanteile. Ist die Schweiz für Sie ein Vorbild?
Geert Pauwels: Die Schweiz ist eine Ausnahme in Europa und zweifellos ein gutes Beispiel in Bezug auf den aktiven Einsatz der Regierung für gleich lange Spiesse zwischen Strasse und Schiene. Massnahmen, die von der Regierung vorangetrieben werden, wie finanzielle Unterstützung für den kombinierten Verkehr und den Schienengüterverkehr, die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe und die Alpentransitbörse, fördern sicher die Verlagerung von der Strasse auf die Schiene.

Leider hinkt − mit Ausnahme Österreichs − der Rest Europas der Schweiz hinterher, wenn es darum geht, Anreize für einen fairen Wettbewerb zwischen Strasse und Schiene zu schaffen. In Belgien bietet SNCB Logistics Einzelwagenladungsverkehr als einziges Unternehmen auf dem ganzen Netz an, da dies sehr arbeitsintensiv ist. Deshalb und weil die gefahrenen Strecken in Belgien angesichts der geringeren Grösse des Landes kürzer sind, ist es schwierig, zu konkurrenzfähigen Preisen zu offerieren. Wir haben unser Angebot verkleinert, um massiv Kosten zu sparen und unsere Betriebsstrukturen zu vereinfachen. Aber wir zählen auch auf Regierungsunterstützung, um den Bahntransport zu fördern und den Einzelwagenladungsverkehr am Leben zu erhalten.

Der Einzelwagenladungsverkehr ist international stark unter Druck, einige Länder wie Italien haben ihn abgeschafft. Hat er noch Zukunft?
Geert Pauwels: Da die Strassen zunehmend überlastet sind und die Schiene Kapazitäten hat, muss er eine Zukunft haben. Darüber hinaus hängen die Industrie und die Häfen von einem kontinuierlichen Angebot im Einzelwagenladungsverkehr ab. Die Häfen sind darauf angewiesen, dass wir dieses Angebot aufrechterhalten, denn nur so können sie ihre Attraktivität für die Spediteure bewahren, die einen Hafen aufgrund der Effizienz seiner gesamten Logistikkette auswählen.

Investitionen durch internationale Industriegruppen in lokale Niederlassungen basieren auf der Präsenz von verlässlichen, multimodalen Logistiknetzwerken. Aufgrund von Sicherheitsbestimmungen müssen etwa Chemiefirmen ihre Produkte auf der Schiene transportieren. Indem wir das Angebot im Einzelwagenladungsverkehr aufrecht erhalten, helfen wir mit, die lokale Industrie am Leben zu erhalten. Staatliche Institutionen auf Ebene der EU und der Länder müssen Verantwortung übernehmen, indem sie sich für gleich lange Spiesse für die Bahn einsetzen. Das Kapazitätsmanagementsystem, das die Bahnallianz Xrail entwickelt, wird sicherlich ein Hebel sein, um den Wagenladungsverkehr international zu stärken.

Was müssen Güterverkehrsunternehmen tun, um sich fit für die Zukunft zu machen?
Geert Pauwels: Güterbahnunternehmen müssen ihre Effizienz steigern und wettbewerbsfähigere Angebote entwickeln, um mehr Volumen zu transportieren. Eine hohe Verlässlichkeit und eine stabile Qualität sind der Schlüssel zu diesem Ziel. Qualitativ hochstehende Information über das Transportgut durch innovative Tracking- und Tracingwerkzeuge und rasche Offerten sind Bereiche, in denen die Schiene gegenüber der Strasse Nachholbedarf hat. Die Allianz Xrail hilft, diesen Rückstand aufzuholen, indem sie einheitliche Standards für den Wagenladungsverkehr festlegt.

Die jüngste Ausgabe vom Cargo Magazin beleuchtet die Frage «Schienengüterverkehr – Vorbild Schweiz?».

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