Die Diskussion über die künftige Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur wird derzeit nicht nur in der Schweiz mit Nachdruck geführt. In Deutschland zum Beispiel verabschiedete der 1. Mobilitätskongress Ende letzten Jahres in Frankfurt einen Appell, in dem eine Beendigung der chronischen Unterfinanzierung gefordert wurde. «Die Politik muss im Verkehrssektor eine intelligente Finanzierung der Infrastruktur sicherstellen, Bürokratie abbauen und beschleunigte Genehmigungsverfahren ermöglichen», heisst es darin. Nach Ansicht von Prof. Knut Ringat, Präsident des Kongressveranstalters Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (DVWG), wurden die Prioritäten in der Politik bisher falsch gesetzt: «Die neue Bundesregierung muss sich vom regionalen Proporzdenken abkehren und Priorität auf jene Neu- und Ausbaustrecken legen, wo sich schnell Engpässe auflösen und Verkehrsknoten ertüchtigen lassen.»
Ebenso müsse die Polarisierung «Strasse gegen Schiene» beendet werden und es seien intelligente Verknüpfungspunkte zu schaffen, die eine «Abkehr von Stückwerk und Teillösungen» einleiten. Nötig sei eine politische Gesamtstrategie mit einer Zielsetzung für die Infrastruktur. Denn die gerät immer mehr an die Belastungsgrenze. Nach Schätzung der Deutschen Bahn existiert derzeit ein Investitionsstau bei Geleisen, Brücken, Weichen und Stellwerken von über 30 Milliarden Euro. «Wenn sich nichts ändert, steigt der Rückstand bis 2020 auf gigantische 50 Milliarden Euro», warnt DB-Chef Rüdiger Grube.
Im Güterverkehr macht sich das bereits deutlich bemerkbar. Viele Hauptgeleise sind oft verstopft, Verspätungen sind die Folge. Denn der Personenverkehr hat stets Vorrang, Güterzüge müssen warten. Hinzu kommen marode Brücken und fehlende Stromleitungen. «Wenn der Staat nicht mehr investiert, wird die Schiene noch weiter ins Hintertreffen geraten», warnt Andrea Neid, Verkehrsexpertin beim Chemieverband VCI. «Die Politik hat das Problem erkannt – jetzt muss sie dringend handeln.» Zwar will die neue Bundesregierung in Deutschland laut Koalitionsvertrag in den nächsten vier Jahren rund fünf Milliarden Euro in die Infrastruktur stecken und eine deutliche Erhöhung der Kapazität des Schienengüterverkehrs durch gezielte Engpassbeseitigung erreichen. Doch für viele Branchenexperten ist das nur ein Tropfen auf den heissen Stein, der zudem nicht in ein Gesamtkonzept eingebettet ist. «Die Bereitstellung von fünf Milliarden Euro (noch nicht finanziert) für die Infrastruktur ist zwar löblich, folgt aber wieder einmal dem Giesskannenprinzip und nicht einer dauerhaften Planbarkeit und Durchfinanzierung von Verkehrsinfrastrukturprojekten», kritisiert etwa Martin Randelhoff im Blog «Zukunft Mobilität».