Barbara Burri und Monique Saurer führen seit rund sechs Jahren zusammen. Seit anderthalb Jahren leiten sie gemeinsam den HR-Bereich von SBB Cargo und sind damit die einzige Co-Leitung auf Topkaderstufe bei der SBB. Ein Einblick in ihre Co-Leitung.
Liebe Barbara, liebe Monique, seit rund sechs Jahren teilt ihr euch einen Job und führt im Duo. Wie organisiert ihr eure Co-Leitung?
Monique: «Das Wichtigste ist, dass nicht beide alles machen. Es gibt Themen, die eine von uns beiden übernimmt und dann gibt es aber auch Themen, die sind für unsere gemeinsame Funktion wichtig, sodass wir schauen, dass wir hier beide auf dem aktuellen Stand sind. Täglich schriftliche Übergaben im gemeinsamen OneNote, zwei bis drei kurze Austauschtermine pro Woche helfen uns dabei. Montags schaffen wir zusammen, an den anderen Tagen ist jeweils eine von uns im Einsatz.»
Barbara: «Bei einzelnen Sitzungen handhaben wir es so, dass wir abwechslungsweise teilnehmen, hier spielt die Sichtbarkeit auch eine wichtige Rolle. Sich in die Organisation hineinzudenken, sich auch als Person einbringen zu können – das ist uns wichtig. Bei anderen Sitzungen hingegen steht die Funktion im Vordergrund. Daher nimmt dann diejenige Teil, die am Tag anwesend ist.»
Monique: «Das Schöne an unserer Co-Leitung ist, dass wir sie zusammen gestalten können, so wie es unsere Organisationseinheit, unsere Aufgabe und wir als Personen brauchen. Da gibt es kein Richtig und kein Falsch. Es ist ein facettenreiches Arbeitsmodell, das sich entwickeln kann.»
Und wie funktioniert die Co-Leitung für euer Team?
Barbara: «Grundsätzlich haben unsere Mitarbeitenden zwei Ansprechpersonen, je nachdem wer am Tag im Einsatz ist. Gleichzeitig haben wir das Team aber auch aufgeteilt, sodass unsere Mitarbeitenden für bestimmte Themen und Termine Kontinuität in Bezug auf die Ansprechperson haben.»
Monique: «Genau. Würden wir ihnen beispielsweise im Mitarbeiterdialog zu zweit gegenübersitzen, so wäre das nicht nur komisch, sondern auch ineffizient. Unsere Mitarbeitenden haben sehr gelassen auf die Co-Leitung reagiert. Ihre Offenheit und Bereitschaft sich darauf einzulassen, hilft uns sehr.»
Die Akzeptanz der Mitarbeitenden ist sicher eine elementare Voraussetzung für den Erfolg von Co-Leitungen. Was sind aus eurer Sicht weitere Erfolgsfaktoren?
Monique: «Auch die Akzeptanz weiterer Stakeholder ist wichtig – insbesondere die der vorgesetzten Person. Wir beziehen alle mit ein, indem wir ihnen erklären, wie wir unsere Co-Leitung organisieren und welche Rahmenbedingungen wir geschaffen haben, um möglichst viel Transparenz zu schaffen. Das hilft effizient und erfolgreich miteinander zu arbeiten. Und auch innerhalb der Co-Leitung ist Kommunikation sehr wichtig. Man muss bereit sein, alle Informationen miteinander zu teilen und die Entscheidungen des jeweils anderen akzeptieren. Die Co-Leitung bedingt ein Grundvertrauen, dass die andere Person gut und richtig entscheidet.»
Barbara: «Das ist vielleicht sogar der wichtigste Punkt. Einerseits ein gemeinsames Wertekonstrukt und andererseits ein ähnliches Fach- und Qualitätsverständnis zu haben. Es darf auch keine von beiden mehr im Vordergrund stehen wollen. Dann besteht Gefahr, dass man in eine Stellvertretungssituation hineinrutscht mit dem Resultat, nicht als gemeinsame Leitung wahrgenommen zu werden. Beide müssen zudem zu einer gewissen Flexibilität bereit sein. Wenn man sich immer strikt nur an seine festen Tage hält, dann ist es nicht produktiv.»
Ihr habt viel Erfahrung sammeln können. Wie hat sich eure Co-Leitung entwickelt?
Monique: «In unserer ersten Co-Leitung bei Elvetino sind wir auf der grünen Wiese gestartet. Wir haben sie nach unseren eigenen Vorstellungen aufgebaut und immer wieder reflektiert: Wo stehen wir? Wo braucht es Korrekturen? Was müssen wir optimieren?»
Barbara: «Richtig. Wir haben immer wieder eine Auslegeordnung gemacht. Ein wichtiger Faktor ist einerseits die Aufgabe, die zu bewältigen ist und anderseits auch das Umfeld, das man nicht ausblenden kann. Die Aufgabe bedingt, wie man sich in seiner Co-Leitung aufstellt. Bei Elvetino war es eine andere als jetzt bei SBB Cargo. Gewisse Punkte haben wir übernommen, andere mussten und wollten wir verändern.»
Monique: «Der kontinuierliche Austausch, das Zusammenbringen zweier Erfahrungsschätze und der gegenseitige Support in schwierigen Situationen hat uns sehr gefallen. Ob wir uns nach Elvetino zusammen oder einzeln weiterentwickeln, war aber offen. Als sich die Opportunität von SBB Cargo ergab, haben wir uns entschieden, uns gemeinsam zu bewerben.
Der Güterverkehr befindet sich in einer Transformation. Damit diese gelingt, braucht es auch kulturelle Veränderungen in der Organisation. Wie seht ihr die Rolle eurer Co-Leitung in der Transformation?
Monique: «Unser sich ergänzendes Wissen hilft uns sehr in der Transformation. Und auch in anderen Bereichen könnte ich mir gut vorstellen, dass Co-Leitungen valable Führungsmodelle im Zuge des Wandels sein könnten. Wichtig ist, auf der gleichen Linie unterwegs zu sein, ein ähnliches Mindset und Führungsverständnis zu haben. Wenn der eine so führt und der andere so, dann kann das auch Verwirrung stiften. Die Aufgabe, die Führungsposition müssen als Einheit wahrgenommen werden.»
Barbara: «Ich glaube, dass Co-Leitungen in der Transformation gut funktionieren können, beispielsweise in Projekten. Eine von beiden stemmt zum Beispiel das Tagesgeschäft, die andere ist vertieft im Projekt. Die Co-Leitung kann mehr Breite abdecken: einerseits vom Workload her, andererseits kann mehr Wissen eingebracht werden.»
Aber mal Hand aufs Herz: hat eine Co-Leitung auch Nachteile?
Barbara: «Der grosse Vorteil – jemanden zum Austausch zu haben – kann gleichzeitig auch ein Nachteil sein. Man ist so nah beieinander, dass Gefahr besteht, sich zu wenig mit anderen Kolleg:innen im Leitungsteam zu besprechen. Dabei ist dieser Austausch auch enorm wichtig für die Integration im Team.»
Monique: «Absolut. Und man muss aufpassen, dass es zu keinen Verzögerungen kommt, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, weil man eventuell noch das Bedürfnis hat sich mit seiner Co-Leitung abzustimmen. Für mich sind das allerdings Nachteile, die bei Weitem durch die Vorteile aufgewogen werden.»
Und mit Blick auf die Zukunft: wird das Modell Schule machen?
Barbara: «Potential hat es auf jeden Fall. Eine Organisation muss sich auf ein solches Modell einlassen wollen. Und die einzelnen Personen müssen sich ebenso auf das Modell einlassen und teilweise auch Kompromisse eingehen wollen. Ich bin sicher, dass sich die Co-Leitungen ausbauen werden. Ob es Schule machen wird, ist für mich noch unklar.»
Monique: «Ich bin mir sicher, dass es weitere Co-Leitungen geben wird. Aus meiner Sicht können dadurch mehr Teilzeitkräfte – übrigens nicht nur klassischerweise Frauen – Führungspositionen bekleiden, die sie ohne Partner:in nicht hätten ausüben können oder wollen. An diejenigen, die sich so ein Modell vorstellen können, kann ich nur appellieren, sich zu überlegen, mit wem man die Co-Leitung eingehen und warum es passen könnte. Man muss sehr ehrlich mit sich selbst sein und sich überlegen, ob man der Typ dafür ist. Auch aus Sicht der Organisationsentwicklung ist das Modell vielversprechend.»
Barbara: «Wichtig ist, es auszuprobieren. Es muss nicht für jede oder jeden stimmen. Für uns kann ich nur sagen: die Zusammenarbeit ist sehr gut, es ist ein toller Job und wir können gemeinsam etwas Cooles machen!»
So funktioniert Jobsharing bei der SBB
Beim Jobsharing teilen zwei Mitarbeitende eine 100-Prozent-Stelle untereinander auf. Ob 60:40 oder 50:50 ist individuell verhandelbar. Zusätzlich fördert die SBB Jobsharing in Führungspositionen («Topsharing»), indem beim Teilen einer solchen Stelle 120-Stellenprozente statt 100% in Anspruch genommen werden können.
Weitere Informationen zum Jobsharing bei der SBB finden Sie hier.