Für ausländische Bahnexperten und Güterbahnchefs ist die Schweiz als Bahnland ein Vorbild, und der Wagenladungsverkehr hat eine Zukunft. Einigkeit herrscht auch, dass die Güterbahnen ihre Strukturen anpassen, Kosten senken und die Orientierung an den Kunden erhöhen müssen. Doch nicht nur Güterbahnen, auch die Politik hat Hausaufgaben: Sie muss bei der Regulation über die Bücher.
Die Schweiz, so meinen ausländische Experten und Güterbahnchefs, ist für viele in Europa Vorbild und Vorreiterin. Denn sie räumt dem Schienengüterverkehr einen hohen Stellenwert ein. Das liegt gemäss Maria Leenen, CEO des Beratungsunternehmens SCI Verkehr, an der starken Unterstützung der Regierung und der Bevölkerung. «In der Schweiz ist der Modal-Split-Anteil im Personen- und Güterverkehr im europäischen Vergleich herausragend», so Leenen.
Weitgehend Einigkeit herrscht auch, was den Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) angeht: Die Situation bleibe schwierig, sagt Leenen. «Er muss eine Zukunft haben, da die Strassen zunehmend überlastet sind und die Schiene Kapazitäten hat», meint Geert Pauwels, CEO der belgischen Güterbahn SNCB Logistics. Diese Ansicht teilt auch Paul Wittenbrink, Professor für Transport und Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach: Der Einzelwagenverkehr werde auch in Zukunft benötigt, der kombinierte Verkehr könne ihn nur bedingt ersetzen. Doch in den EWLV muss investiert werden: «Es braucht auch effiziente Rahmenbedingungen, Planungssicherheit und realistische Ziele. Nicht zuletzt sind die Kunden gefragt, indem sie langfristig auf das System setzen, mehr feste Kapazitäten buchen und auch unkonventionelle Lösungen entwickeln», sagt Wittenbrink.
Was müssen Güterbahnen unternehmen, damit sie fit sind für die Zukunft? Die Güterbahnen müssten intern Strukturen anpassen und optimieren, dass sich damit die Leistungsfähigkeit auf nationaler Ebene deutlich verbessere, sagt Fernand Rippinger, CEO der luxemburgischen Güterbahn CFL Cargo. «Die Güterbahnen müssten Im EWLV viel stärker als bisher auf die Kunden zugehen und deren Bedürfnisse erkennen», verlangt Dirk Flege Geschäftsführer der deutschen Allianz pro Schiene. Die Güterbahnen müssen also kundenorientierter werden. «Der Kunde erwartet, dass ein Anbieter auch die erste und die letzte Meile bedienen kann», ist Flege überzeugt.
«Güterbahnen müssen in der Lage sein, Transportlösungen europaweit aus einem Guss anzubieten und diese in einer hohen Qualität», sagt dazu Alexander Hedderich, CEO von DB Schenker Rail. Das bedeute eine europaweite Aufstellung, schlanke und fest definierte Prozesse und vor allem Mitarbeiter, die diesen europäischen Weg mitgehen. «Nur dann sind die Güterbahnen zu anderen Verkehrssystemen konkurrenzfähig», ist Hedderich überzeugt.
Nicht nur die Güterbahnen haben Hausaufgaben zu machen, sondern auch die Politik: «Die Politik muss mehr Rückenwind geben», fordert Flege. Ein schleppender Umgang mit Netzengpässen sei für die Entwicklung des Schienengüterverkehrs negativ. Für Wittenbrink «sehr wichtig» ist, dass die Güterbahn vom Versorgungsauftrag entbunden werde, wie dies in der Schweiz derzeit diskutiert werde. «Genauso wie die Abschaffung der starren Priorisierung des Personenverkehrs auf bestimmten Strecken und zu gewissen Tageszeiten.»
Mein Fazit: Die Schweiz ist im Schienengüterverkehr für viele in Europa ein Vorbild – und kann es bleiben. Doch die Güterbahnen müssen sich und den Wagenladungsverkehr weiterentwickeln. Und Kunden müssen sich – wie die Politik ebenfalls – klar zum System Wagenladungsverkehr bekennen. Die Politik muss überdies die Rahmenbedingungen verbessern. Für einen fitten Schienengüterverkehr sind Güterbahnen, Kunden und die Politik gleichermassen gefordert.
Mit diesem Beitrag beenden wir hier vorläufig die Diskussion rund ums Thema «Schienengüterverkehr – Vorbild Schweiz?». Den Auftakt dazu hat das Cargo Magazin gemacht.