Die künftige Strategie im Schweizer Binnengüterverkehr bekommt Konturen: Zentrales Element ist ein landesweites Wagenladungsnetz für bündelbare, regelmässige Transporte. Gleichzeitig wird verstärkt auf kombinierten Verkehr gesetzt. Bedienpunkte mit sehr wenig Volumen stehen auf dem Prüfstand.
Am Dienstag dieser Woche hat der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) gemeinsam mit den Transportunternehmen SBB Cargo, BLS Cargo, RhB und den Schweizer Rheinhäfen vor den Medien Positionen und Forderungen für den Schienengüterverkehr in der Schweiz präsentiert. Eine zentrale Forderung in dem gemeinsamen Positionspapier: Im Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) in der Schweiz müssen die Güterbahnen Angebot und Netz besser nach betriebswirtschaftlichen Kriterien gestaltet können. Klar ist: Der Schienengüterverkehr ist und bleibt ein wichtiger Teil der Logistikketten der Schweizer Wirtschaft und hat im europäischen Vergleich sehr hohe Marktanteile. In den nächsten Monaten werden wichtige politische Entscheide gefällt, welche die Zukunft des Güterverkehrs auf der Schiene stark prägen werden.
Der VöV – so das am Dienstag vorgestellte Positionspapier – will den EWLV als gut funktionierendes System mit unternehmerischen Ansätzen erhalten. Die Güterbahnen sollen gleichzeitig mehr Freiheit bekommen, damit sie Angebot und Netz stärker nach betriebswirtschaftlichen Kriterien ausrichten und damit ihre Stärken besser ausspielen können. Das sind vor allem bündelbare, regelmässige Transporte über mittlere und lange Distanzen.
SBB Cargo bedient in der Schweiz heute rund 500 Punkte. Über knapp ein Drittel davon verkehren 90 Prozent aller Wagen. Damit erfüllt das führende Schienengütertransportunternehmen des Landes die zentralen Anforderungen der Wirtschaft und trägt wirkungsvoll zur Verkehrsverlagerung bei. Rund die Hälfte der Punkte sind allerdings Ausgangs- oder Zielort für nur drei Prozent der Wagen und tragen damit nur sehr wenig zum Umsatz und Transportvolumen bei. Im Durchschnitt verkehrt hier nicht einmal ein Wagen pro Tag.
SBB Cargo-CEO Nicolas Perrin redete in dem Mediengespräch am Dienstag Klartext: „Es macht keinen Sinn, mit einer Lok und einem oder zwei Wagen ganze Streckenabschnitte abzufahren. Konkret: Wir wollen uns auf Punkte konzentrieren, für welche die Bahn das beste Transportmittel ist.“ Umgekehrt bedeute dies, dass SBB Cargo die ineffizienten Bedienpunkte ins Visier nimmt und gegenwärtig überprüft, wie die 155 schlecht ausgelasteten Bedienpunkte saniert werden können. Gemeinsam mit den Kunden sollen alternative Lösungen wie Preis- oder Mengensteigerung, die Konzentration auf andere Punkte, kombinierte Lösungen Schiene/Strasse oder der Verzicht geprüft werden.
126 dieser 155 Punkte werden heute im Rahmen von individuell vereinbarten Kundenlösungen bedient und können direkt mit den Kunden verhandelt werden. Die restlichen 29 der schlecht frequentierten Bedienpunkte sind dagegen derzeit Teil des Grundnetzes. Für diese legt SBB Cargo den Sanierungsfahrplan zusammen mit dem Bund fest. Die Schweizer Güterbahn will dabei auch im Binnenverkehr in Zukunft mehr auf den kombinierten Verkehr setzen. Hier sollen neue Angebote aufgebaut werden. Als Test ist bereits ein Shuttlezug zwischen Dietikon und Renens gestartet. Denn trotz der kurzen Distanzen in der Schweiz werden langfristig kombinierte Lösungen Schiene/Strasse stärker wachsen. Damit kann sich SBB Cargo noch besser dort entwickeln, wo die Stärken der Bahn liegen, nämlich entlang den Hauptachsen.
Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2012 soll das Wagenladungsnetz dann angepasst werden. Durch die Sanierung der Bedienpunkte mit sehr niedrigen Volumen sollen die jährlichen Verluste gestoppt und längerfristig mit dem Wagenladungsverkehr die Eigenwirtschaftlichkeit erreicht werden. Das heisst: Die Güterbahn konzentriert sich auf Verkehre, die wirtschaftlich sinnvoll sind und sich auch aus Sicht der Umweltbelastung lohnen. „Heute bedienen wir auch Punkte, die alleine von der Menge her nicht für die Schiene geeignet sind“, unterstrich Nicolas Perrin, „dies müssen wir korrigieren“. In den vergangenen Monaten wurden bereits erste Gespräche mit Politik, Behörden und Kunden geführt. „Unsere Massnahmen werden im Grundsatz verstanden, teilweise sogar gefordert“, zog der CEO im Gespräch mit den Medienvertretern eine erste Bilanz.
Die Gespräche mit Eigner, Kunden sowie Politik und Verwaltung zur Sicherung des für die Schweiz unabdingbaren Wagenladungsverkehrs werden nun intensiv weitergeführt. Die Entscheide dazu werden bis zum Ende des zweiten Quartals 2012 erwartet.