Eine aktuelle Prognose der Europäischen Kommission erwartet für die nächsten 15 Jahre nahezu eine Verdopplung, nämlich plus 80 Prozent, des Güterverkehrs in Europa. Damit diese Entwicklung nicht in einer weiteren Zerstörung unserer Umwelt endet, gibt Siim Kallas, EU-Kommissar für Verkehr, klare Ziele vor: Der Anteil des Schienengüterverkehrs und der Binnenschifffahrt auf Entfernungen von mehr als 300 Kilometer soll bis 2050 auf mindestens 50 Prozent steigen, also im Vergleich zu heute sich nahezu verdoppeln. Denn nur so könnten die von der Europäischen Kommission gesteckten Ziele zur Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes im Transportsektor erreicht werden.
„Daraus ergibt sich in etwa eine Verdreifachung der Nachfrage nach Transportleistungen im Schienengüterverkehr bis 2050. Dies wird sich nicht allein durch Effizienzsteigerungen erreichen lassen. Erhebliche Investitionen in die Schieneninfrastruktur werden nötig sein“, sagt Johannes Ludewig, Executive Director der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen und Infrastrukturgesellschaften (CER) aus Brüssel, der sich neben Nicolas Perrin (CEO von SBB Cargo) und anderen europäischen Güterbahnchefs an der Podiumsdiskussion „Europäische Schienenverkehrskorridore: Wohin soll das Geld fließen?“ am 10. Mai auf der transport logistic 2010 beteiligen wird.
Nicht zuletzt die Anpassung der Infrastruktur an längere Güterzüge scheint in diesem Zusammenhang ein vielversprechender Weg zu sein. Vor allem sei es wichtig, „diese Investitionen entlang der wichtigsten transeuropäischen Achsen voranzutreiben. Dazu gehören dann auch geeignete Rangierbahnhöfe, damit längere Güterzüge zusammengestellt beziehungsweise unterteilt werden können, um den Endkunden zu erreichen“, so Ludewig. Bislang investierten Regierungen in Mittel- und Osteuropa durchgängig noch mehr Geld in die Straßeninfrastruktur.
Als aktuelles Beispiel nennt Ludewig Polen, wo die Regierung sogar beabsichtigt, 1,2 Milliarden Euro der für den Ausbau von Schieneninfrastruktur vorgesehenen EU-Mittel zurückzuholen und der Straße zu Gute kommen zu lassen. Unter solchen Umständen ist es seiner Meinung nach für Bahnunternehmen nahezu unmöglich, wettbewerbsfähig zu arbeiten. Dafür müssten zunächst faire Bedingungen und Chancen für alle Verkehrsträger auf dem Markt sichergestellt werden. Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einem "Weissbuch Verkehr", das in Kürze veröffentlicht werden soll: „Die dort vorgesehene Anlastung externer Kosten nach dem Verursacherprinzip wird helfen, dass die Preise für die einzelnen Verkehrsträger in Zukunft tatsächlich die von Ihnen verursachten Kosten widerpiegeln“, erklärt Ludewig. Dann könne man zum ersten Mal von einem fairen Wettbewerb zwischen Straße und Schiene sprechen.