Als Manuel Barroso im vergangenen Jahr Präsident der Europäischen Kommission wurde, setzte er die „Dekarbonisierung“ – also die Verringerung der CO2-Emmissionen des Verkehrs – ganz oben auf seine politische Agenda. Um diese Ziele im Güterverkehr zu erreichen, ist die Förderung des Schienengüterverkehrs entlang der transeuropäischen Verkehrskorridore einer der vielversprechendsten Wege.
Die Europäische Union verabschiedete deshalb im vergangenen Jahr eine Verordnung, die die Schaffung solcher Korridore anregt. Gleichzeitig werden Forschungsprojekte finanziert, deren Ziel die Entwicklung des Konzepts „Grüner Korridore” in Europa ist. Darin soll auch der Betrieb längerer Güterzüge mit bis zu 1500 Metern möglich sein. Doch diesen Ankündigungen sind bisher kaum Taten gefolgt. Das war auf jeden Fall die vorherrschende Meinung auf einer Podiumsdiskussion der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen und Infrastrukturgesellschaften (CER), die heute auf der transport logistic stattfand.
Denn vor allem in Mittel- und Osteuropa wird beispielsweise immer noch deutlich mehr in die Straßeninfrastruktur investiert als in den Schienengüterverkehr. Michael Harting, Director-General Land Transport im deutschen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, erklärte: „Wir werden nicht lockerlassen, um einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum zu schaffen.“ Das sei allerdings nicht ganz so einfach, da nicht alle Länder in Europa das so sehen. Mehr Wettbewerb auf der Schiene und ein einheitliches Regulierungsniveau in Europa seien dabei wichtige Aspekte. „Auf dem deutschen Netz sind über 300 Eisenbahnunternehmen unterwegs“, lobte er den Erfolg der Liberalisierung.
Der geplante Güterverkehrskorridor zwischen Rotterdam und Genua – so Hartig in seiner etwas langatmigen Einführung – habe aus Sicht der deutschen Bundesregierung absoluten Vorrang. Bis Ende 2013 soll er Realität werden, zwei weitere Korridore werden dann später folgen. Notwendig sei dafür zunächst die Einführung eines einheitlichen europäischen Zugbeeinflussungssystems.
Karel Vinck, ERTMS-Koordinator der Europäischen Kommission, sah noch einige „Nadelöhre in den geplanten Korridoren, die geschlossen werden müssen“. Darauf wies auch Nicolas Perrin, CEO von SBB Cargo, hin und ergänzte: „Korridore sind wichtig, aber die brauchen auch einen Anfang und ein Ende.“ Und da habe er in Bezug auf Genua als geplanten Endpunkt des Korridors 1 so seine Zweifel. Denn dort gebe es kaum Infrastruktur. Perrin: „Hier fehlen vor allem Terminals.“ Schliesslich fordere die Realisierung der geplanten europäischen Standards wie ECTS bei der Zugbeeinflussung die Güterbahnen auch finanziell sehr stark heraus.
In das gleiche Horn stiess ebenfalls Dr. Alexander Hedderich, Vorsitzender der Geschäftsführung von DB Schenker Rail: „Es darf nicht das gesamte Geld in die Korridore fliessen.“ Auch die übrige Infrastruktur und der Einzelwagenverkehr seien nicht zu vernachlässigen. Doch unabhängig von den noch zu lösenden Problemen gab es auf dem Podium kaum einen Zweifel am Sinn der geplanten Güterverkehrskorridore. Denn, darauf verwies Dr. Jürgen Müller, Partner bei der Unternehmensberatung Mc Kinsey, anhand einer von ihm erarbeiteten Studie: „Nur mit den europäischen Transportkorridoren und längeren Güterzügen lassen sich die Transportkapazitäten auf der Schiene verdoppeln.“