«Wir tun alles Erdenkliche, um unsere Verkehre möglichst stabil zu halten.»

Der Unterbruch in Rastatt hat enorme Auswirkungen auf den Güterverkehr und somit auf SBB Cargo. Insbesondere seit klar ist, dass die Strecke bis zum 7. Oktober gesperrt bleiben wird. Die grossen Bahnunternehmen stimmen sich nun wöchentlich auf CEO-Stufe ab. Daniel Bürgy, stellvertretender Leiter SBB Cargo, gibt Auskunft zu den Auswirkungen der Sperre im Güterverkehr.

Was heisst «enorme Auswirkungen auf den Güterverkehr»?

Daniel Bürgy, stellvertretender Leiter SBB Cargo

Die Kapazität ist momentan stark eingeschränkt. Täglich fahren eigentlich 200 Güterzüge über diese Strecke. SBB Cargo hat einen Marktanteil von fast 70 Prozent und wir sind daher enorm stark betroffen. Jetzt müssen die Züge auf alternative Routen ausweichen. Beispielsweise über Frankreich, Österreich oder via Singen und Schaffhausen. Frankreich hat zwar freie Trassen, die Eisenbahnverkehrsunternehmen aber nur wenige zusätzliche Ressourcen, in Deutschland fehlt bis nächste Woche eine elektrifizierte Ausweichstrecke mit Kapazität und der Weg via Österreich dauert fünf bis sechs Stunden länger als sonst. Das alles heisst, dass wir unsere Güter nicht fahren können beziehungsweise dass der Aufwand für die Transporte extrem hoch ist. Die Züge stauen auf der gesamten Nord-Süd-Achse. Aktuell können wir nur rund 20 Prozent der normalen Mengen bewältigen. Unsere Kunden steigen nun teilweise auf Lastwagen um, was für uns natürlich sehr unerfreulich ist.

Was sind die Effekte auf die Kunden?

Die Auswirkungen sind teilweise dramatisch. Aufgrund der langen Dauer des Unterbruchs neigen sich die Lagerbestände bei vielen Firmen dem Ende zu. Wir sind daher mit zahlreichen temporären Werksschliessungen konfrontiert. Die Nerven liegen daher verständlicherweise blank.

Was unternimmt SBB Cargo gegen die Sperrung? Welche Möglichkeiten gibt es, Rastatt zu umfahren?

SBB Cargo agiert im Notfallstab. Alle Abteilungen treffen sich regelmässig und definieren das weitere Vorgehen. Es werden alternative Routen besprochen und Lösungen gesucht. Doch das ist nicht so einfach. Die Zusammenarbeit mit den Bahnunternehmen kommt nur langsam voran. Zudem sind die einzelnen Korridore vom Fahrplan her nicht aufeinander abgestimmt. Die Umleitungsstrecken sind zum Teil nicht elektrifiziert. Diese zusätzliche Komplexität wird nach Abschluss der Bauarbeiten am 05. September auf der Gäubahn (Stuttgart – Singen) teilweise ausgemerzt. Kommt hinzu, dass wir einen grossen Mangel an streckenkundigem Lokpersonal haben. Wir informieren unsere Kunden regelmässig über den aktuellen Stand und die vorhandenen Transportmöglichkeiten. Unsere Kundeninformation steht zudem rund um die Uhr für die Anliegen unserer Kunden zur Verfügung.

Wer kümmert sich konkret um die Problemlösung?

Die Situation zwischen den Bahnunternehmen ist sehr komplex. Die Schweiz hat von Beginn weg die Zügel sehr stark in die Hand genommen. Auf Initiative der SBB stimmen sich die grossen Bahnunternehmen eng ab: Das sind die Cargo-CEOs (SBB Cargo, DB Cargo, Fret SNCF, Sibelit, BLS Cargo, LINEAS), die gemeinsam die Planung auf den verschiedenen internationalen Korridoren verbessern sowie die CEOs der SBB, DB, SNCF und ÖBB, die sich wöchentlich austauschen. Zudem bauen wir einen Shuttle-Service auf. Das heisst: DB Cargo, SBB Cargo International und wir arbeiten auf der Strecke Basel SBB RB – RBL – Singen – Kornwestheim eng zusammen, damit alle möglichen Trassen gefahren werden können und das Maximum an Last für unsere Kunden durch das Nadelöhr gelotst werden kann. Damit können täglich zehn Verbindungen gefahren werden. SBB Cargo hilft der SNCF zudem mit streckenkundigen Lokführern aus, die in Frankreich fahren dürfen.

Können die Güter nicht über den Rhein transportiert werden?

Klar, der Rhein – sprich der Gütertransport über den Wasserweg – spielt natürlich eine grosse Rolle. Viele Güter kommen jetzt via Schweizerische Rheinhäfen in die Schweiz. Die Kapazität ist aber auch da an der oberen Grenze. Dies ist ein Beweis, dass es künftig in Basel ein grösseres trimodales Gateway braucht – also ein Umschlagterminal für Strasse, Schiene und Schifffahrt. Damit können die verschiedenen Verkehrsträger Verschiebungen auffangen und bei Streckensperrungen alternative Verkehrswege anbieten, ohne dass die Versorgung der Schweiz und der Wirtschaft leidet.

Wie beeinträchtigt die Sperrung den Binnenverkehr?

Der Binnenverkehr ist durch die Sperrung ebenfalls stark beeinträchtigt. Durch die alternativen Routen, die wir fahren müssen, fehlt es uns an Lokpersonal. Zudem ist nicht das gesamte Rollmaterial in der Schweiz, da es für Umwege eingesetzt werden muss. Wir haben also auch im Binnenverkehr grössere Verspätungen als sonst, was natürlich sehr ärgerlich ist. Gerade jetzt, wo der Herbstverkehr bald anfängt, ist diese Situation besonders unglücklich. Deshalb unternimmt SBB Cargo alles, um die Situation für die Kunden rasch zu verbessern.

Wie geht es jetzt weiter?

Mit einem tagesscharfen Reporting aller Bahnen, das abbildet, welche Kapazitäten auf den unterschiedlichen Korridore vorhanden sind, können die vorhandenen Kapazitäten gesteuert werden. Ziel ist, die vorhandenen Trassen besser auszunutzen und die Kapazität deutlich zu erhöhen. Zudem nutzen wir jetzt die Stärken der integrierten Bahn voll aus und verringern zum Beispiel mit der Unterstützung von Lokführern des Personenverkehrs den Mangel an Cargo-Lokführern. Wir mobilisieren zusätzlich Lokführer, die auf Ferien und Freitage verzichten, um die Verkehre rollen zu lassen. Auch mit der Reduktion von Baustellen, wie etwa in Eglisau, können wir die Situation entschärfen. Wichtig ist jetzt der europäische Blick auf den gesamten Nord-Süd-Korridor, um den Güterverkehr zu unterstützen. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um unsere Verkehre möglichst stabil zu halten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert