Zugfahren ohne Lokführer stösst in Deutschland vermehrt auf grosses Interesse. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass vor allem die jüngeren Generationen autonomen Zügen gegenüber aufgeschlossen sind. Doch vorerst bleibt das wohl Zukunftsmusik.
35 Millionen Deutsche können sich vorstellen, mit einem Zug zu fahren, der nicht von einem Menschen gesteuert wird, sondern autonom unterwegs ist. Das entspricht rund jedem zweiten Einwohner ab 14 Jahren. Das hat eine repräsentative Umfrage des IT-Dachverbandes Bitkom ergeben, die allerdings unter dem Eindruck der jüngsten Lokführer-Streiks durchgeführt wurde.
Jüngere Menschen sind danach besonders aufgeschlossen gegenüber autonom fahrenden Zügen. Bei den 14- bis 29-Jährigen können sich 60 Prozent vorstellen, diese zu nutzen, bei den 30- bis 49-Jährigen sind es 55 Prozent. Selbst unter den Menschen ab 65 Jahren ist rund jeder Dritte (32 Prozent) offen für solche intelligenten Züge.
«Die Mobilität der Zukunft gehört selbstfahrenden Verkehrsmitteln – auf der Schiene ebenso wie auf der Strasse», ist Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bitkom, überzeugt. «Systeme zur automatischen Fahr- und Bremssteuerung sind bereits jetzt weit ausgereift. Eingebunden in intelligente Verkehrsnetze, die dem Fahrgast beispielsweise die optimale Verbindung in Echtzeit anzeigen, werden sich Störungen und Verspätungen dadurch deutlich reduzieren lassen.»
Der Hauptvorteil selbstfahrender Züge ist aus Sicht der Befürworter, dass diese nicht durch Lokführerstreiks lahmgelegt werden können – fast drei Viertel (72 Prozent) nannten dieses Argument. 63 Prozent halten selbstfahrende Züge für sicherer, weil dadurch menschliches Versagen weitgehend ausgeschlossen ist. 58 Prozent versprechen sich davon mehr Pünktlichkeit.
Diejenigen, die autonome Züge bislang ablehnen, nennen als Hauptgrund, dass sie sich darin unsicher fühlen würden (90 Prozent). 78 Prozent fürchten, dass durch selbstfahrende Züge Arbeitsplätze vernichtet werden. 54 Prozent haben die Sorge, dass bei Unfällen Haftungsfragen ungeklärt bleiben könnten.
Allerdings ist das trotz einiger Pilotprojekte in aller Welt noch weitgehend Zukunftsmusik. Experten wie Dr. Bahnsinn im SBB Blog erwähnen zwar die Metro M2 in Lausanne oder das Zürcher Polybähnli, die ohne menschliches Zutun im Führerstand unterwegs sind, bleiben aber trotzdem skeptisch. «Bei der SBB sind dazu keine konkreten Pläne oder gar Termine vorhanden», heisst es in dem Blogbeitrag.
Man habe schliesslich bereits Züge für die nächsten paar Jahrzehnte bestellt haben und mache laufend bestehende Fahrzeugflotten wieder für zig Jahre und Millionen von Kilometern fit – und all diese Züge seien nicht für den führerlosen Betrieb konzipiert. Es werde also selbstverständlich auch in vielen Jahren noch Lokführerinnen und Lokführer geben. Eine mögliche Entwicklung in ferner Zukunft könne jedoch irgendwann die Trennung von Knoten und Strecken sein: «Führerlose Züge verkehren durch die Knoten, jene mit Lokführern dann auf den Strecken.»