Der Schienengüterverkehr in der Schweiz ist seit 1999 vollständig liberalisiert. Die EU hat diesen Schritt auf 2003 für die transeuropäischen Netze und auf 2007 für das gesamte Netz der EU-Länder umgesetzt. Eine notwendige Voraussetzung, damit sich Wettbewerb auf der Schiene entwickeln kann, ist damit gegeben. Die Tatsache, dass sich die meisten Bahnen in Europa immer noch schwer tun, mit Schienengüterverkehrsleistungen angemessene Renditen zu erwirtschaften, lässt jedoch vermuten, dass eine weitere wichtige Voraussetzung noch nicht überall gegeben ist: Der Markteintritt muss auch wirtschaftlich attraktiv sein. Es reicht nicht aus, den Zaun um eine Wiese einzureissen, damit die Schafe kommen, um auf ihr zu grasen. Wenn die Wiese nicht saftig und grün sondern trocken und braun ist, bleiben die Schafe fern.
Der Bundesrat hat am 17. April 2013 seine Vorlage zur Gesamtkonzeption zur Förderung des Schienengüterverkehrs in der Fläche in die Vernehmlassung geschickt hat. Darin fokussiert er auf zwei Prinzipien: Alleiniger Massstab für Güterverkehrsangebote auf der Schiene soll deren Wirtschaftlichkeit sein, über die die Güterbahnen zu entscheiden haben. Im Gegenzug dazu konzentriert sich der Bund auf die Infrastrukturpolitik und die regulatorischen Rahmenbedingungen, mit denen er die Voraussetzungen schafft, dass sich die Angebote dort rechnen, wo sie verkehrspolitisch erwünscht sind.
Diese Stossrichtung ist zu begrüssen, da sie den Grundsätzen der bereits vollzogenen Liberalisierung folgt und für eine klare Trennung zwischen Unternehmensführung und verkehrspolitischen Zielen sorgt. Die Güterbahnen sollen sich unternehmerisch verhalten und ihre Angebote entlang betriebswirtschaftlicher Rationalität entwickeln und ausrichten. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Produktivität weiter gesteigert wird und die Bahnen sich zu schlanken und effizienten Transportunternehmen entwickeln, die im Wettbewerb mit den privatwirtschaftlich ausgerichteten Unternehmen der Transport- und Logistikbranche bestehen können. Dies ist der einzig richtige Weg in einem liberalisierten Markt.
Gleichzeitig gewinnen die Infrastrukturpolitik und die regulatorischen Rahmenbedingungen an Bedeutung, damit der Schienengüterverkehrsmarkt auch hinreichend attraktiv ist. In den letzten Jahren waren die Güterbahnen vor allem mit Kostensteigerungen in Folge höherer Trassenpreise, neuer regulatorischer Auflagen für Güterwagen oder sich stetig verschlechternder Trassenqualitäten konfrontiert. Gelingt es nicht, die Rahmenbedingungen zu verbessern, wird den heute schon ertragsschwachen Güterbahn kaum eine Trendumkehr bei der Marktentwicklung gelingen. Optimistisch stimmt hier, dass der Bundesrat in seiner Vorlage die Qualität der Güterverkehrstrassen als ein zentrales Instrument identifiziert hat.