Lastwagenfirmen kopieren den Schienenverkehr

Beim «Platooning» fahren Lastwagen im Konvoi auf der Autobahn. Wie bei einem Güterzug wird das erste Fahrzeug durch einen Menschen gesteuert, die restlichen Lastwagen folgen automatisiert hinterdrein. Das Fahren im Windschatten soll die Sicherheit erhöhen und den Treibstoffverbrauch senken.

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Dank Kommunikation via WLAN können Lastwagen auch auf der Autobahn in kurzen Abständen hintereinander fahren. Bild: Daimler

«Platooning» (engl. für: in Kolonne fahren) ist bei Lastwagenunternehmen zurzeit ein wichtiges Thema. Dabei bewegen sich bis zu zehn miteinander vernetzte Lastwagen sehr eng mit 15 Metern Abstand hintereinander auf der Autobahn. Möglich wird das durch Fahrerassistenzsysteme wie Spurhalteassistenten sowie Abstandshalter und die Kommunikation via WLAN.

Das erste Fahrzeug wird dabei von einem Menschen gesteuert und übernimmt die Kontrolle. Die dahinterfahrenden Lastwagen folgen ihm im Windschatten mit automatisiert angepasster Geschwindigkeit. Bremst der erste Wagen, wird bei den restlichen Fahrzeugen ein entsprechendes Bremsmanöver eingeleitet. Beschleunigt der Fahrer, schliessen die hinteren Wagen automatisch auf.

Bei einer vom niederländischen Verkehrsministerium initiierten Test-Sternfahrt durch fünf Länder bewegten sich kürzlich Fahrzeuge von Daimler, MAN, Scania, DAF, Iveco und Volvo als Zweier-Kolonne in den Hafen von Rotterdam. Von allen wichtigen Lastwagen-Produktionsstandorten in Europa sollten im Rahmen der «European Platooning Challenge» als Demonstration elektronisch gekoppelte Lkw teilautonom an ihr Ziel fahren.

Eine Entlastung der Infrastruktur durch geringere Sicherheitsabstände und damit weniger Staus, zehn Prozent geringerer Treibstoffverbrauch und geringere Umweltbelastung sowie weniger Leerfahrten und Reduzierung der Unfälle versprechen die Platooning-Verfechter. Rund eine halbe Milliarde Euro will Daimler Trucks bis zum Jahr 2020 in diesen Bereich investieren. Der Lastwagenbauer erwartet einen Leistungsschub, da vernetzte Lastwagen die Nutzung von bisher nicht ausgeschöpften Potenzialen im Güterverkehr auf der Strasse ermöglichen würden.

«Wir schaffen ein neues, hochleistungsfähiges und offenes Logistik-Netzwerk», verspricht Daimler Trucks & Daimler Buses-Chef Wolfgang Bernhard. Das Fahren im Verbund sei eines von zahlreichen Beispielen, wie man mit vernetzten Lastwagen die Leistungsfähigkeit des gesamten Warentransports erheblich steigern könne.

«Schlicht eine Schnapsidee» nennt dagegen Ludolf Kerkeling den Konvoi auf der Autobahn. Der Vorstandsvorsitzende des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) e.V. fragt: «Wozu das Ganze? Das Prinzip luftwiderstandsoptimal und nahezu unfallfrei zu fahren, wurde bereits mit der Güterbahn erfunden». Ein Lokführer bringe schon mit heutiger Leittechnik bis zu 120 Lkw-Ladungen mit nur einem Fahrmotor und 75 Prozent geringerem CO2-Ausstoss als der Lastwagen unfallfrei ans Ziel.

Auch im Schienengüterverkehr wird am technischen Fortschritt gearbeitet. SBB Cargo entwickelt gemeinsam mit Bosch Engineering ein sogenanntes Asset Intelligence-System für die vernetzte Zustandsüberwachung der Güterbahn. Ziel ist es, die Logistik auf der Schiene zu digitalisieren und zu einem vernetzten Transportsystem auszubauen. Das heisst, jeder Güterwagen wird mit Sensoren und einem GPS-Empfänger ausgerüstet. Temperatur, Laufleistung, Ladungsdaten und Position – alles lässt sich genau erfassen und an die Leitstelle senden. Anhand der Daten sind Kunden besser informiert und die Waren kommen schneller ans Ziel.

«Der Schienengüterverkehr muss jetzt einen grossen Schritt vorwärts machen, um zukunftsfähig zu werden. Das können wir nur mit Innovationen erreichen – und zwar solchen, die wir in Zusammenarbeit mit anderen Branchen für die Schiene adaptieren», erläuterte SBB Cargo-CEO Nicolas Perrin kürzlich auf der Konferenz «Bosch Connected World» in Berlin. Unser Video zeigt, wie das Ganze bereits in der Praxis im Schweizer Schienennetz funktioniert.

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