Container sind der Treibstoff der globalen Industrie. Europas grösster
Hafen Rotterdam bewegt jeden Tag 30 000 von ihnen. Die SBB bewältigt die Warenflut mit: Vor und nach der Reise über die Weltmeere rollt
SBB Cargo International viele der grossen Kisten auf der zentralen Nord-Süd-Achse durch Europa.
André Bartel gleitet mit seinem Zug von SBB Cargo International in den frischen Morgen hinein. Die Rheinschlaufe bei Boppard, St. Goar, die Loreley und «sehen Sie, Rüdesheim dort drüben» – der Lokführer geniesst die Fahrt dem Rhein entlang, fährt auch an freien Tagen gerne dorthin. Doch dann dies: Warten vor rot leuchtendem Signal. Und noch einmal Warten. Vor Mainz steht ein Übergang von der links- zur rechtsrheinischen Strecke an.
Der Vorsprung von Zug 40201 auf den Fahrplan schmilzt dahin. 26 Eisenbahnwagen mit Containern, 569 Meter, 1592 Tonnen, warten auf Weiterfahrt. Noch ist die Strecke drüben belegt. Ein Containerzug rollt rheinabwärts, ein zweiter rheinaufwärts. Und als Zug 40201 den Strom quert, was fährt dort? Ein Containerschiff. Container, nichts als Container.
Rotterdam war der Ausgangspunkt der Bahnreise, Gallarate nahe Mailand wird ihr Ziel sein. Mitten in der Nacht, um 2.38 Uhr, ist der Zug in der Rheinmündung gestartet, um 6 Uhr hat ihn Bartel in Köln Eifeltor von seinem holländischen Lokführerkollegen Dursun Guler übernommen. Rotterdam schlägt so viele Güter um wie die drei nächstplatzierten europäischen Häfen Antwerpen, Hamburg und Amsterdam zusammen. Gut 100 Containerkrane sind täglich in Bewegung; still steht der drittgrösste Hafen der Welt nie. Die Container bilden, vom Wasser aus gesehen, bunte Festungswälle. Hier warten sie auf die nächste Transportstrecke zu Wasser oder zu Land – aber bitte nur kurz, denn Zeit ist Geld.
40 Kilometer überspannt der Rotterdamer Hafen zwischen Stadtzentrum und Nordsee. Die Teilnehmer der stündlichen Hafenrundfahrten erhaschen nur gerade einen kleinen Ausschnitt der Anlagen, die sich in Jahrhunderten und Jahrzehnten immer weiter hin zum Meer entwickelt haben. Vollends in die Nordsee wird zurzeit eine zweite künstlich angelegte Maasebene hineingebaut. In diesem neuen Hafengebiet können dann die grössten Containerschiffe der Welt anlegen. Gleise werden bis dort hinausführen, damit statt der überlasteten Strassen Bahn und Binnenschiff klimafreundlich den Grossteil des Weitertransports übernehmen können.
Die globalisierte Wirtschaft verschafft André Bartels Arbeitgeber rosige Perspektiven. «SBB Cargo International» heisst das Dach, unter dem die SBB den internationalen Güterverkehr betreibt. Vor vier Jahren hat sie diesen verselbstständigt; neben der Mutter SBB Cargo (zu 75 Prozent) ist der schweizerische Kombiverkehrspionier Hupac (zu 25 Prozent) beteiligt. Die Mutter hat 2013 die lang ersehnte «schwarze Null» erreicht, die Tochter knapp nicht. Die Margen sind klein, der Wettbewerb beinhart. Doch ihr Leiter Michail Stahlhut ist überzeugt vom Erfolg der internationalen Güterbahn der SBB und ihrer Strategie: «Wir machen nicht alles, aber im Korridor Nord–Süd wollen wir die Besten sein.»
Der Korridor hat einen Namen: «Europäischer Güterverkehrskorridor 1» heisst er und führt von Rotterdam nach Genua. Er ist eine Aorta, die einen Wirtschaftsraum von 50 bis 60 Millionen Menschen versorgt. Auf dieser Achse fahren heute bereits 55 Prozent der Züge im kombinierten Verkehr, sind also mit Containern beladen oder mit Wechselbehältern und ganzen Lastenzügen. Rund die Hälfte dieser Züge ist mit dem Emblem der SBB unterwegs.
Auch Lokführer Bartel ist auf dem «Korridor 1» unterwegs. Der 44-Jährige ist noch in der DDR gross geworden. «Lokführer wollte ich schon als Knirps werden», bekennt er. Als er es dann war, löste sich die DDR auf und brach ihr Bahnverkehr ein. Der junge Lokführer wurde in der wiedervereinigten Deutschen Bahn nach Mukran zum Fleischverlad abkommandiert und fuhr S-Bahnen in Berlin und Köln. Mundpropaganda brachte ihn dann in Köln zur SBB. 25 Jahre nach dem Mauerfall ist er nun in globaler Mission unterwegs.
Der Dienst im Führerstand heute ist für ihn eine schöne Abwechslung, denn unterdessen ist er der Leiter aller 40 SBB Lokführer in Köln. Und bereut seinen Wechsel vor acht Jahren nicht: «Eine solche Entwicklung wäre anderswo so nicht möglich gewesen.»
Fortsetzung folgt. Diese Reportage erschien in der Ausgabe 6/14 des SBB-Personalmagazins «Unterwegs».