Martin Radtke hat als Leiter Cross Media die neue Website von SBB Cargo entscheidend mitgeprägt. Im 3. Teil unserer Serie schildert er weitere Details aus deren Entstehungsgeschichte: Die Inhaltsstruktur stand, die Navigationspunkte waren bezeichnet. Im eigens gebauten Prototyp sah alles wunderbar aus. Wir waren zufrieden mit dem Geleisteten. Unsere Kunden leider nicht.
Nicht alles, was auf einer Flipchartfolie toll aussieht, ist in der Realität zweckmässig. Das haben wir während der Entwicklung der Inhaltsstruktur unserer neuen Website mehrfach erlebt. Als effizientes Vorgehen entpuppte sich, die Ergebnisse gleich in einen klickbaren Prototypen einzubauen. Schliesslich war es soweit: Alle Projektmitglieder waren mit dem Ergebnis zufrieden. Allen war klar, welche Inhalte hinter den Hauptnavigationspunkten warteten. Sogar projektfremde Personen klickten sich erfolgreich durch den Prototyp.
Übermut machte sich im Projektteam breit. Nur so ist zu erklären, dass plötzlich der Gedanke aufkam, den Test an ausgewählten Kunden auszulassen und gleich den übernächsten Projektschritt in Angriff zu nehmen. Die leichte Verspätung auf den Projektfahrplan könne so aufgeholt und Kosten könnten gespart werden. Zudem wurde argumentiert: Bereits bei www.sbb.ch waren zahlreiche Benutzertests durchgeführt worden. Unser Spielraum, auf Kundenbedürfnisse einzugehen, sei beschränkt, weil die Grundstruktur unverändert bleiben müsse.
Schliesslich setzten sich besonnenere Stimmen durch. Eine Marktforschungsspezialistin besuchte ausgewählte Kunden, testete Hauptnavigation und Verständnis der verwendeten Begriffe. Freudig warteten wir auf ihren Bericht – und schluckten leer. Was eigentlich niemand erwartet hatte, mussten wir nun schwarz auf weiss zur Kenntnis nehmen: Die befragten Kunden wollten andere Hauptnavigationspunkte. Und einige Begriffe wurden falsch interpretiert.
Zunächst mochte das niemand so richtig wahrhaben. Doch als wir uns intensiver mit den Ergebnissen auseinander gesetzt hatten, war klar: Zielgenau hatten uns unsere Kunden zu Schwachstellen geführt! Meine persönliche Lehren? Zunächst eine banale Weisheit: Kommunikationsinstrumente funktionieren nur, wenn die Bedürfnisse der Zielgruppe berücksichtigt sind. Und mindestens ebenso wichtig: Den Übermut zügeln und aktiv zuhören.