Zweimal täglich liefert SBB Cargo 20 bis 25 Bahnwagen – oder rund 1800 Tonnen – Schrott für den Elektro-Lichtbogenofen von Swiss Steel in Emmenbrücke bei Luzern. Das Unternehmen verarbeitet am zweitgrössten Recycling-Standort der Schweiz jährlich 600 000 Tonnen Schrott zu 550 000 Tonnen Stahl. Damit leistet es seit 40 Jahren einen wichtigen Beitrag für eine ökologische Kreislaufwirtschaft. Doch die Ökobilanz des wichtigen Werk- und Baustoffes fällt sogar noch besser aus als bisher angenommen, wie Prof. Dr. Matthias Finkbeiner jetzt in einer Studie nachgewiesen hat. Der Wissenschaftler, der das Fachgebiet «Sustainable Engineering» am Institut für Technischen Umweltschutz der Technischen Universität Berlin leitet, weist darin nach, dass sich der ökologische Fussabdruck von Stahl mit jeder Recycling-Stufe verringert.
Herr Prof. Finkbeiner, Sie haben in Ihrer Studie die Ökobilanz von Stahl mit dem sogenannten Multirecycling verknüpft. Was ist neu an Ihrem Ansatz?
Prof. Finkbeiner: Bisher wird in den Ökobilanzierungen von Stahl nicht eingerechnet, wie oft der Werkstoff recycelt wird. Da wird häufig nur geschaut, ob generell wiederverwertet werden kann oder nicht. Viele Stoffe können jedoch nur wenige Male recycelt werden, während man das beim Stahl theoretisch unendlich oft tun kann. Das macht ihn zu einem Werkstoff mit grossem Potenzial für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit.
Wie wirkt sich das auf die Umweltbilanz von Stahl aus?
Prof. Finkbeiner: Durch die mehrfache stoffliche Nutzung werden über mehrere Zyklen insgesamt über 40 Prozent der Emissionen eingespart. Bei einem mehrfach recycelten Werkstoff hat die Ökobilanz der ersten Herstellungsphase wenig Aussagekraft, man muss die Sekundärnutzungen einschliessen, also die gesamten Lebenszyklen des Werkstoffes betrachten. Je öfter Stahl recycelt wird, desto besser für die Umwelt. In der Debatte um den ökologischen Fussabdruck ist unser Ansatz daher sehr hilfreich, weil er die Multirecyclingfähigkeit des Werkstoffes in den Mittelpunkt rückt und nicht nur die Herstellung.
Und was ist die Konsequenz daraus?
Prof. Finkbeiner: Unsere Studie stellt nicht nur den Vorteil des Recyclings selbst heraus, sondern auch den daraus resultierenden Gewinn für eine breite Palette von Umweltwirkungen einschliesslich der Treibhausgasbilanz. Die in der Studie erstmals gemeinsam abgebildete Hochofen-und Elektroofen-Route bei der Stahl-Produktion zeichnet ein deutlich genaueres Umweltprofil des Werkstoffs. Herstellung, Entsorgung und wiederkehrendes Recycling von Stahl werden vollständig berücksichtigt. Wenn man dies tut, entstehen bei der Produktion von einer Tonne Stahl – bezogen auf die Gesamtlebenszeit – weniger als 1000 Kilogramm klimaschädliches CO2. Das ist sehr viel weniger als bisher gedacht.
Wo liegen die Grenzen der Wiederverwertung?
Prof. Finkbeiner: Beim Stahl liegt der Vorteil darin, dass er aufgrund der Metallurgie dafür prädestiniert ist, einen geschlossenen Kreislauf zu bedienen und seine inhärenten Eigenschaften zu behalten. Es kommt also zu keinem Qualitätsverlust wie bei vielen anderen Sekundärrohstoffen. Unter dem Aspekt der Wiedergewinnung ist Stahl daher ein ideales Material. Sie könnten neben Stahl oder Glas auch viele andere Stoffe relativ geschlossen im Kreislauf führen. Nur müssen Sie dazu einen so hohen Reinigungs- und Aufbereitungsaufwand betreiben, dass die Umweltbelastungen durch diesen Prozess oft höher sind als das, was Sie dadurch einsparen. Das ist beim Stahl nicht so.
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