Die Brauerei Feldschlösschen setzt seit der Gründung 1876 auf die Bahn. Thomas Amstutz, CEO von Feldschlösschen, und Nicolas Perrin, CEO von SBB Cargo, reden über ihre langjährige Zusammenarbeit sowie über neue Transporte und erklären, wie man mit Bier heizen kann.
Herr Amstutz, spielen Sie ab und zu noch Handball?
Thomas Amstutz: Nein, das tue ich nicht mehr. Um mich körperlich und geistig fit zu halten, spiele ich Tennis.
Früher mal waren Sie Spitzensportler bei St. Otmar St. Gallen, jetzt kämpfen Sie im Biermarkt um Räume und Tore – Eingangstore von Gastronomiebetrieben und Logistikzentren. Welcher Job ist anspruchsvoller?
Amstutz: Jeder Job bietet Herausforderungen. Beim Handball habe ich gelernt, im Team zu spielen. Als Einzelspieler kann man dort nicht viel bewirken. Genauso ist es in einem Unternehmen – man ist nur als Team stark. Ein Trainer muss zudem immer versuchen, die stärkste Mannschaft auf den Platz zu stellen.
Herr Perrin, wie ist es bei Ihnen? Sie gelten als leidenschaftlicher Jogger. Bei der Güterbahn brauchen Sie wohl einen langen Atem?
Nicolas Perrin: Wenn man älter wird, setzt man eher auf Ausdauersport als auf ständige grosse Kraftakte. In unserer Branche ist es wichtig, langfristige Ziele konsequent anzustreben.
Letztes Jahr hat Feldschlösschen die Anschlussgleise hier in Rheinfelden erneuert. Ist die Nummer eins auf dem Schweizer Biermarkt also auch künftig fest mit der Bahn verbunden?
Amstutz: Ja, wir haben einen siebenstelligen Betrag in diese Erneuerung der Gleisanlagen investiert. Wir sind seit je mit der Bahn verbunden und verfügen seit 130 Jahren über einen direkten Bahnanschluss. Als Feldschlösschen 1876 gegründet wurde, errichtete Theophil Roniger das Backsteinschloss, das ja noch heute unser Firmensitz ist, gezielt in der Nähe des Bahnhofs. In der Folge bauten wir alle unsere Getränkedepots in der Schweiz mit einem Bahnanschluss. 60 Prozent aller Transporte zu Grosskunden und Depots fahren wir auf der Schiene. Für die Feinverteilung benutzen wir den Lastwagen.
Herr Perrin, welche Bedeutung hat der Kunde Feldschlösschen für SBB Cargo – in der Vergangenheit und in der Zukunft?
Perrin: Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte. Das freut uns sehr, und wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und wissen, was dies für unsere Zusammenarbeit in Zukunft bedeutet. Wenn beide Partner langfristig denken, kann man gemeinsam gute Logistikkonzepte für die Kunden entwickeln. Generell wurden Güter bisher vor allem auf langen Distanzen per Bahn transportiert. Seit diesem Jahr kommt die Bahn auch für kürzere Strecken zum Einsatz. Rechnet sich das?
Amstutz: Ja, wir haben Bahnanschluss in all unseren Depots und in den sogenannten Cross Docks. Der Transport nach Biel erfolgte schon früher einmal auf der Bahn, dann gab es Veränderungen bei der Anlieferzeit. Seit diesem Jahr kann SBB Cargo wieder früher liefern. Und es sind noch drei weitere Verbindungen hinzugekommen, die wir in diesem Jahr von der Strasse auf die Schiene verlagert haben.
Was beinhaltet das Logistikkonzept des Cross Docking?
Amstutz: Der Logistikprozess hat sich in den letzten Jahren stark beschleunigt. Dazu gehört, dass wir Waren nicht mehr länger in Depots lagern. Bis 15 Uhr nehmen wir Bestellungen an, die wir bei uns in Rheinfelden bis 19 Uhr kommissionieren. Die Bahn holt die Getränke und verteilt sie im Nachtsprung via Rangierbahnhöfe in unsere Cross Docks. Auf der Strasse wäre dies wegen des Nachtfahrverbots für Lastwagen nicht möglich. Am Morgen holen die Lastwagen die Paletten und bringen sie zu den Kunden.
Und in Zukunft?
Amstutz: Das Tempo wird weiter zunehmen, zudem müssen wir noch näher zum Kunden gehen und effizienter werden.
Was tut SBB Cargo, um schnellere und effizientere Transport zu ermöglichen?
Perrin: Mit der Einführung des neuen Konzepts im Wagenladungsverkehr 2017 konnten wir die Kapazität im Nachtsprung stark ausbauen. Dies war ein wichtiger Schritt, der es uns ermöglichte, gewisse Verkehre wieder ins System aufzunehmen. Wir planen, unsere Züge ab 2023 generell mit automatischer Kupplung und automatischer Bremsprobe auszurüsten. Das führt dazu, dass wir die Zugabfertigung, die bisher manuell erfolgt, viel schneller vornehmen können. Auch in den Rangierbahnhöfen werden wir dadurch schneller. Erste Feldtests mit diesen Innovationen sind positiv verlaufen.
Haben Sie weitere Projekte?
Perrin: Wir müssen uns überlegen, am Tag ein ähnliches Angebot aufzubauen wie in der Nacht. Eine Auslieferung am Nachmittag wird im Detailhandel immer wichtiger, weil sich der Konsum zunehmend in die Abendstunden verlagert. Da reicht eine Lieferung am Morgen nicht mehr.
Amstutz: Das ist sehr interessant, ich bin bereit, bei einem entsprechenden Test mitzumachen. Auch bei uns wollen die Kunden, die am Morgen auf unserer Plattform beer4you.ch bestellen, noch am gleichen Abend beliefert werden. Wir würden einige dieser Transporte sehr gerne von der Strasse auf die Bahn bringen, da der zunehmende Onlinehandel zu immer mehr Strassentransporten führt.
Welche Zusatzdienstleistungen bietet die Güterbahn neben dem Transport an?
Perrin: Es ist wichtig, dass ein Wagen auch vor und nach dem Transport zur Verfügung steht. Er ist auf dem Areal des Kunden und stellt die Schnittstelle zum Kunden dar, er ist somit bedeutender als die Lokomotive. Zudem rüsten wir unsere Wagen mit Sensoren aus, die es erlauben, die Daten der Ladung und den Sendungsverlauf jederzeit zu verfolgen. Dies ist gerade im Lebensmittelbereich wichtig.
Thema Nachhaltigkeit: Bis 2022 soll der Anteil an erneuerbaren Energien in der Brauerei Rheinfelden auf 75 Prozent steigen, bis 2030 auf 90 Prozent. Wie wollen Sie das erreichen?
Amstutz: Wir haben eine Roadmap, wie wir den Energie- und Wasserverbrauch bis 2030 Schritt für Schritt reduzieren wollen. Wir setzen auf Wärmerückgewinnung, umweltfreundliche Antriebe, optimierte Prozesse und auf sensibilisierte Mitarbeitende. In diesen Bereichen sind wir ständig daran, uns zu verbessern. Wir hatten als erstes Unternehmen der Schweiz einen elektrisch betriebenen 18-Tonnen-Lastwagen und bauen unsere Kapazität bei den E-Lastwagen aus. Unser langfristiges Ziel ist eine CO2-neutrale Belieferung des Kunden. Auch schulen wir unsere Chauffeure im umweltbewussten Fahren. Nach jeder Fahrt bekommen sie eine Art Rating mit den wichtigsten Daten wie Treibstoffverbrauch und Anzahl Stopps zu ihrer Fahrt.
Auch die SBB und SBB Cargo setzen auf Nachhaltigkeit. So will man bis 2025 mit Strom fahren, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammt (bisher 90 Prozent). Gibt es auch beim Dieselverbrauch Einsparpotenzial?
Perrin: Die SBB besitzt ja eigene Wasserkraftwerke und hat in letzter Zeit viel Geld in ihre Erneuerung investiert. Es ist unsere Strategie, mit eigener Wasserkraft zu fahren – dies bedingt allerdings, den Verbrauch zu senken. Über den Anschlussgleisen gibt es meist keine Fahrleitungen, bisher war dort Dieselantrieb erforderlich. Vor sieben Jahren haben wir Hybridloks gekauft, die mit Diesel und mit Strom fahren können. Seit Anfang 2019 machen wir einen Versuch mit zwölf H3-Loks, die durch einen Akku betrieben werden. Dies ist hier schwieriger zu bewerkstelligen als bei Lastwagen, da Rangierloks höhere Leistungen erbringen müssen. Ich denke aber, dass es hier grosse Fortschritte geben wird.
Zurück zum Bier: Feldschlösschen wirbt aktiv für alkoholfreies Bier. Weshalb sehen Sie in diesem Bereich noch Wachstumspotenzial?
Amstutz: Die Konsumenten wollen vermehrt generell oder zwischendurch auf Alkohol verzichten, aber doch ein natürliches Produkt trinken. Wir waren die Ersten, die alkoholfreies Bier neu positionierten. Zwar sind bisher nur etwa vier Prozent unserer verkauften Biere alkoholfrei, die Verkaufszahlen wachsen aber stark. Einige dieser Biere werden gleich gebraut wie herkömmliches Bier, ihnen wird in einem weiteren Schritt noch der Alkohol entzogen. Diesen verwenden wir für die Wärmeerzeugung – so sparen wir 690 000 Liter Heizöl pro Jahr. Mit jedem alkoholfreien Bier tun Sie also etwas für die Umwelt – nebst dem, dass Sie sich ein alkoholfreies Bier gönnen!
Perrin: Im Winter sollte man also viel alkoholfreies Bier trinken, dann spart man Heizöl (lacht)!
Amstutz: In Rheinfelden erzeugen wir über 50 Prozent unserer Wärme aus erneuerbarer Energie – der Alkohol steuert einen wichtigen Anteil bei.
Feldschlösschen und SBB Cargo sind in ihren Branchen in der Schweiz Marktführer. Welches Verhältnis haben Sie zu Ihrer Konkurrenz?
Amstutz: Wir pflegen ein freundschaftliches Verhältnis und tauschen uns regelmässig über Branchenthemen aus.
Perrin: Wir machen das auch. In der Schweiz sind wir zwar Marktführer, verglichen mit ausländischen Güterbahnunternehmen sind wir aber klein. Ich kenne also beide Rollen. Auch wenn wir mit andern Bahnunternehmen in Konkurrenz stehen, kämpfen wir alle letztlich um das Gleiche: darum, den Bahnanteil im Güterverkehr stetig zu erhöhen.
Fotos: Daniel Winkler