Seit 2020 sind in der Schweiz nur noch lärmsanierte Güterwagen zugelassen. Die Wagenflotte von SBB Cargo wurde frühzeitig komplett umgerüstet. Aber wie sieht es im internationalen Grenzverkehr aus? Und welche Fortschritte kann das Rollmaterial noch machen?
Die Bahn ist ein leistungsfähiges und klimafreundliches Transportmittel. Für Menschen, die in der Nähe von Bahnlinien wohnen und arbeiten, kann die Eisenbahn aber auch eine lästige Lärmquelle sein. Darum stellt der Bund für die Lärmsanierung der Schweizer Eisenbahnen bis 2025 rund 1,5 Milliarden Franken zur Verfügung. Neben Lärmschutzwänden ist die Auswechslung von Grauguss-Bremssohlen an Güterwagen ein effizientes Mittel. André Böhmer, Fachführung Lärmbeschwerden von SBB Cargo, präzisiert: «Die neuen, leiseren Kompositsohlen aus Verbundwerkstoffen unterschreiten mit 81 Dezibel (dB) den neuen europäischen Lärmgrenzwert von 83 dB.» Zum Vergleich: der Schwerlastverkehr verursacht 95 dB, ein Rockkonzert 110 dB. SBB Cargo hat bereits per Ende 2019 ihre gesamte Güterwagenflotte lärmarm umgebaut und rollt seither auf leisen K-Sohlen durch die Schweiz und Europa.
Die neuen, leiseren Kompositsohlen aus Verbundwerkstoffen unterschreiten mit 81 dB den neuen europäischen Lärmgrenzwert von 83 dB.
André Böhmer, Fachführung Lärmbeschwerden SBB Cargo
Strenge Kontrolle an der Grenze
Seit 1. Januar 2020 ist der Einsatz von nicht lärmsanierten Güterwagen in der Schweiz verboten. Wie ist die Situation heute? «Sehr positiv, denn nur gerade 0,2 Prozent der beförderten Güterwagen wurden zwischen Januar und Mitte August 2021 als nicht lärmsaniert erkannt», sagt Julian Ryf, Verantwortlicher lärmsanierte Güterwagen bei SBB Cargo. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) führt eine Datenbank (Silent Wagon Data Base), in der jeder lärmsanierte Güterwagen erfasst wird. Trifft zum Beispiel an der Grenze in Basel ein Güterwagen ein, der nicht in der Datenbank registriert ist, löst das System automatisch eine Meldung via E-Mail aus. Bis Mitte August 2021 wurden in der Schweiz gesamthaft 852 971 Güterwagen befördert. Rund 1000 Wagen waren nicht in der Silent Wagon Data Base eingetragen und haben einen Alarm ausgelöst. Ryf erklärt: «Nach einer kurzen Überprüfung konnten fast alle Wagen weiterrollen. Sie waren entweder lärmsaniert oder hatten eine Ausnahmebewilligung und lediglich der Eintrag in der Datenbank fehlte.»
Schliesslich waren in diesem Jahr bis Mitte August nur gerade 15 Wagen tatsächlich nicht lärmsaniert, was rund 0,2 Prozent der beförderten Wagen entspricht. Diese Wagen wurden an der Grenze angehalten und der Wagenhalter informiert. Dieser konnte dann entscheiden, ob der Wagen zurückrollt oder ob er mit einer Spezialbewilligung in die nächste SBB Cargo-Werkstatt soll (z.B. Service Anlage Muttenz). In der Werkstatt können die Mitarbeitenden die Bremssohlen innerhalb eines Tages austauschen und den Wagen lärmsaniert auf die Weiterreise schicken.
Leise, leiser, 5L
SBB Cargo gibt sich mit leise nicht zufrieden, sondern will in Zukunft noch leiser werden. Gemeinsam mit dem Technischen Innovationskreis Schienengüterverkehr (TIS), dem Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) und etlichen Industriepartnern hat sie den 5L-Güterwagen der Zukunft entwickelt. Das Kürzel 5L steht für: leise, leicht, laufstark, logistikfähig und life-cycle-kostenorientiert. Der innovative Güterzug ist mit einer Vielzahl von innovativen Komponenten ausgestattet, wie zum Beispiel mit der automatischen Kupplung oder mit Scheibenbremsen. Die gefahrenen Testkilometer sowie die Lärm- und Klimatests haben die hohen Erwartungen bestätigt: Die Wagen sind leiser und laufstärker als konventionell ausgerüstete Güterwagen. Die Vorgabe, die Lärmemissionen um weitere 5 dB zu senken, wurde gar übertroffen. Nun ist der Zug im Realbetrieb, um zusätzlich zu den Messergebnissen Praxiserfahrungen zu sammeln. Damit wird geprüft, ob die eingesetzten Komponenten auch im realen Leben bestehen.