Was in Zürich passiert, bleibt in Zürich

Die Spross AG produziert Recyclingbeton. Mitten in Zürich. Wir waren zu Besuch und sprachen mit Josef Binzegger, Geschäftsleiter Recycling, über Kreislaufwirtschaft mit Bahnanschluss und einen knapp drei Kubikmeter grossen Thermomix.

Sauber und aufgeräumt präsentiert sich das Recycling- und Betonwerk der Spross AG in unmittelbarer Nähe vom Bahnhof Hardbrücke mitten in Zürich. Josef Binzegger lacht: «Bei über 250 000 Tonnen Materialanlieferung jährlich, für deren Annahme, Sortierung, Aufbereitung, Entsorgung wie auch für die Recyclingbetonproduktion wir gerade mal
18 000 m2 Platz zur Verfügung haben, hält man besser Ordnung.» Mitten im angesagten Kreis 4 ein Recycling- und Betonwerk zu betreiben, ist gar nicht so einfach. «Das Areal muss citykonform sein, was Staub und Lärmbelastung angeht», so Josef Binzegger, «ausserdem ist Platz in der Stadt teuer.» Interessanterweise ist dieses Problem aber auch Teil der Lösung.

Für ein leistungsfähiges Ver- und Entsorgungssystem von Baustoffen in einer Stadt braucht es auf jeden Fall einen Bahnanschluss.

Josef Binzegger, Geschäftsleiter Recycling, Spross AG

Zürich, ein Kieswerk

Traditionell seien Betonproduzenten auch gleichzeitig Kieswerkbetreiber. «Die Rohstoffe Kies und Sand holen sie direkt aus der Natur, aus der Kiesgrube, bereiten das Ganze zu verschiedenen Komponenten auf, mischen in der Betonanlage Zement dazu und verkaufen den so entstandenen Beton», erklärt Josef Binzegger. Die Spross AG besitzt aber kein eigenes Kieswerk. Dafür hat sie einen Standortvorteil: Das Recyclingwerk liegt mitten in der Stadt Zürich. Aber ist das wirklich ein Vorteil? «Absolut, denn für uns ist die Stadt Zürich das Kieswerk. Uns liegen jede Menge Rohstoffe in Form von Abbruchmaterial zu Füssen. Diese Abbruchmaterialien bereiten wir in unserem Werk zu Recyclinggranulat auf, welches dann als Kiesersatz bei der Betonproduktion dient», erzählt Josef Binzegger. Diese Wiederverwendung von Abbruchmaterial entspricht dem nachhaltigen Prinzip des Urban Mining. Der Begriff steht für die Aufforderung, Rohstoffe in Produkten und Infrastrukturen auch nach Gebrauchsende weiter zu nutzen und dadurch nachhaltiges Wirtschaften langfristig zu sichern.

Beton direkt aus Zürich

Cargo Magazin 2/23

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Der Bauboom in der Schweiz hält an. Gefragt, und gleichzeitig knapp, sind Platz und Material. Logistik, Transportströme sowie der Bedarf an innerstädtischen Flächen verlangen ausserdem innovative Lösungen. «Zunächst gab es das Recyclingwerk auf dem Hardfeld-Areal», erzählt Josef Binzegger. Bei jährlich hunderttausenden Tonnen von Abbruchmaterial allein in der Stadt Zürich lag es nahe, das Angebot auf die Produktion von Recyclingbeton auszuweiten. Ultimatives Plus: der Bahnanschluss mitten in der Stadt. «Für ein leistungsfähiges Ver- und Entsorgungssystem von Baustoffen in einer Stadt braucht es auf jeden Fall einen Bahnanschluss», so Josef Binzegger. Nur so können weiterhin benötigte Primärmaterialien wie Sand, Kies und Zement wirtschaftlich und von weit her beschafft werden. Zudem befreien die Bahntransporte den ohnehin überlasteten städtischen Strassenverkehr von vielen Lastwagenfahrten (40-Tonner). Bei der Umsetzung des Projektes spannte das Unternehmen daher mit SBB Cargo zusammen und nutzt seither die vorhandenen Logistikstrukturen, um effiziente Kreislaufwirtschaft zu betreiben.

Ab in den Thermomix

Der für den Recyclingbeton benötigte Misch- und Betonabbruch kommt per Lastwagen direkt von naheliegenden städtischen Baustellen und wird im Recyclingwerk abgekippt. Das Material wird mit Bagger vorsortiert und anschliessend einem schonenden, zweistufigen Brechverfahren zugeführt. Es zerkleinert den Abbruch zu verschiedenen Granulaten mit unterschiedlichen Korngrössen. Bei diesem Vorgang entzieht die Aufbereitungsanlage dem Schutt mit Hilfe eines Magneten zuerst Restbestände von Eisen. Anschliessend pustet ein sogenannter Windsichter Plastik, Holz und Röhrchen aus dem verbliebenen Rohmaterial, bevor ein letztes Mal Sieben den einstigen Beton für seine Wiederverwertung bereit macht. Über ein Beschickungsband gelangt das Granulat direkt ins richtige Lagersilo der Betonanlage. «Am Mischpult programmiert dann ein Mitarbeiter das Hinzufügen der korrekten Menge an Sand, Kies und Zement für die Zubereitung des Frischbetons. Der hierfür eingesetzte Betonmischer ist quasi ein zweieinhalb Kubikmeter grosser Thermomix», lacht Josef Binzegger.

Sauber aufgegleist

Die Materialtransporte mit der Bahn sind zuverlässig planbar, die Wagennutzung bleibt flexibel: «Der Wagen steht auf dem Gleis bereit und kann dann befüllt oder entladen werden, wenn es der Betrieb zeitlich zulässt. Lastwagen sind zwar flexibler disponierbar, brauchen aber, wenn sie dann plötzlich auf dem Werkhof stehen, viel Verkehrsflächen und müssen zudem sofort beladen oder entladen werden», so Josef Binzegger.

Ausserdem bieten die Bahnwagen gleichzeitig auch Lagermöglichkeiten auf dem Gleis. 350 – 450 Anlieferungen mit Abfall und Bauschutt kommen pro Tag auf das Areal. «Wir können keine Bauschuttberge in der Stadt aufschütten, sondern müssen das Material innerhalb von 48 Stunden verarbeiten oder weitertransportieren, auch das wäre ohne Bahnanschluss nicht möglich.» Die Herstellung von qualitativ hochwertigem und genormtem Recyclingbeton direkt vor Ort spart ausserdem CO2. Tausende Lastwagentransporte mit mineralischen Bauabfällen stadtauswärts und Beton stadteinwärts entfallen. Reichen die Kapazitäten im Hardfeld nicht aus, transportiert SBB Cargo den Mischabbruch zur Aufbereitung in Recyclingwerke in der ganzen Schweiz. «Aber das meiste landet im Thermomix und dann wieder auf den umliegenden Baustellen. Was in Zürich passiert, bleibt eben in Zürich», so Josef Binzegger, während im Hintergrund schon der nächste Bahnwagen anrollt.

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