Wie sieht der Alltag eines Lokführers B100 aus? Was sind seine Freuden? Seine Leiden? Auf Tour in Genf mit Denis Laederach (41).
«Allez, Denis. On y va!» Der Rangierarbeiter mahnt zum Aufbruch. Doch der Mann mit der markanten Glatze und dem Vollbart lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er gibt die Nummer des Zugs im System ein. Dann steht er auf und verlässt den Führerstand, um die Lichter zu kontrollieren. Zurück, prüft er das Gerät LISA. Nun ist Denis Laederach zufrieden: «C’est tout bon.» Ein paar Sekunden später schiebt er nach: «Die Sicherheit kommt immer an erster Stelle. Ein kleiner Fehler kann eine grosse Katastrophe auslösen.»
Jetzt kann es losgehen vom Depot in Genève-la-Praille, das unmittelbar neben dem imposanten Fussballstadion von Servette liegt. Zuerst tuckert die 2000 PS starke Diesellok Am 843 mit 25 km/h dahin. Dann beschleunigt Denis. Er lacht: «Da hinten kommt ein TGV. Den wollen wir nicht warten lassen!» Damit schiebt er den Hebel vor – und in Kürze nähern wir uns den 100 km/h, die für einen Lokführer B100 zulässig sind.
Vom Camionneur zum Lokführer
Wenige Minuten danach kommen wir in Vernier an – einer Industriezone mit etlichen Gleisen und vielen Cargo-Kunden. 14 Wagen mit Aushub stehen hier von der Firma Gesa bereit. Butterweich fährt Denis hin- und zurück, es gibt kaum einen Ruck. Denis lenkt, der Rangierspezialist kuppelt. Bis alle 14 Wagen vertäut hintereinanderstehen – bereit für die spätere Fahrt zum Neuenburgersee. «Da haben wir jetzt 1200 Tonnen gezogen.» Denis strahlt.
Als wir übers Gewicht sprechen, gelangen wir rasch zu den Anfängen von Denis als Lokführer: Ursprünglich arbeitete er als Lastwagen-Chauffeur. Das gefiel ihm zwar. Doch der Zeitdruck wurde immer grösser. Dazu kam, dass Denis ein Fan von schweren Fahrzeugen und grossen Transporten ist. Als er eine Anzeige der SBB sah, grössere und stärkere Maschinen zu fahren, war er begeistert. 2014 startete er die Schulung als Lokführer B100, im Frühjahr 2015 begann sein neuer Alltag bei SBB Infrastruktur. 2017 wechselte er zu Cargo. Wieder schmunzelt er, wie so oft während unseres Gesprächs: «Bei SBB Cargo kann ich schwere Lasten transportieren. Je mehr Tonnen, desto mehr Spass macht es mir!»
Die Vielfalt macht es aus
Als nächstes bringt Denis zwei Wagen mit Altmetall zum Recyceln aufs richtige Gleis – dann geht es weiter zum Depot von Feldschlösschen. Hier holt er einen Wagen ab für den späteren Transport nach Rheinfelden. Das Kuppeln übernimmt heute Denis’ Kollege, der Rangierspezialist. Dies ist nicht immer so. Manchmal ist Denis allein unterwegs. Dann kuppelt, rangiert und fährt er – alles in Personalunion.
Ist dies das Schwierigste an seinem Job? «Technisch ist es anspruchsvoll.» Denis nickt. «Aber es ist genau diese Vielfalt, die mir an meiner Arbeit so gefällt: Mal bin ich alleine unterwegs, mal im Team. Mal früh am Morgen, mal spät am Abend. Ich bin immer in Bewegung.» Die Schichtarbeit macht ihm nichts aus – im Gegenteil: «Meine beiden Söhne sind 18 und 20. So kann ich häufig während des Tages Dinge für den Haushalt erledigen, wenn meine Frau arbeitet.»
Soweit die Freuden des Denis Laederach – und die Leiden? Er überlegt lange. «Wenn ich Frühschicht habe und um drei Uhr aufstehen muss: Das ist manchmal hart.» Schon schmunzelt er wieder. «Frühschicht ist normalerweise für Cargo Express. Ça bouge! Da bin ich im Nu hellwach.»
Ein spezieller Wunsch
Mit Anfang Vierzig ist Denis vollends zufrieden mit seiner Arbeit. Also zwanzig Jahre weiter so? «Ich habe schon einen Wunsch», sagt Denis. «Zurzeit besitzen wir in La Praille nur Dieselloks.» Seine Augen beginnen zu leuchten. «Eine Elektrolok zu fahren – ce serait vraiment chouette!»
Bis eine Elektrolokomotive im Depot La Praille ankommt, wird Denis weiterhin mit Leidenschaft seine Am 843 fahren. «Als Lokführer B100 leiste ich jeden Tag einen Dienst für die Kunden, die Schweizer Wirtschaft und für die Umwelt. Das macht Freude!»
Diese Freude sieht man Denis Laederach an. Er tippt auf sein Tablet. «Der nächste Kunde wartet!» Er schmunzelt – und gibt Gas.
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