Nach Jahrzehnten der Diskussion hat vor einem Jahr der Bau des Brenner-Basistunnels zwischen Österreich und Italien begonnen. Er ist das zukünftige Herzstück der Eisenbahnverbindung von München nach Verona und soll mit einer Länge von 64 Kilometern zu den längsten der Welt zählen. Teil zwei unserer Serie.
Die Fahrt von München nach Bozen dauerte insgesamt drei Tage – vor über 200 Jahren, als der Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe auf seiner «Italienischen Reise» die Alpen überquerte, via Brennerpass in der Postkutsche. «Auf den gebahntesten Wegen», so der Dichter, ging es unter «schroffsten Felsen» entlang und vorbei an «Dörfern, Häusern, Häuschen, Hütten, alles weiss angestrichen».
Doch schon 1867 endete das Postkutschenzeitalter: Nach nur drei Jahren Bauzeit war die Brennerbahn fertig, die von Innsbruck aus über den 1370 Meter hohen Brennerpass bis nach Bozen und Verona führt. Doch die heute zweigleisige und elektrifizierte Eisenbahnstrecke birgt enorme Herausforderungen. So war der Bau zahlreicher Kehrtunnels – vor allem auf der Nordrampe – nötig. In Innsbruck müssen Züge aus Deutschland «gestürzt» werden, also die Fahrtrichtung wechseln, weil kein Platz für eine Kurve vorhanden ist. Und um die ungewöhnlich starke Steigung von 26 Promille zu bewältigen, werden zusätzliche Loks vor die Züge gespannt.
Deshalb begann bereits 1910 die Diskussion über den Plan, einen «Brenner-Tunnel» zu errichten. Es dauerte aber bis zum Jahr 1989, bis die ersten Schritte umgesetzt wurden. Damals wurde die erste Machbarkeitsstudie für einen Brenner-Basistunnel in Auftrag gegeben. Die bestehende Strecke ist den Kapazitätsanforderungen längst nicht mehr gewachsen, heute wird ein Drittel des gesamten alpenquerenden Verkehrs über die Strecke abgewickelt.
Erst als die EU nicht unerhebliche Zuschüsse zusagte, begannen in Österreich und Italien die Aktivitäten. 2004 entstand die Europäische Gesellschaft Brenner-Basistunnel mit Sitz in Innsbruck, die das Projekt seitdem koordiniert. Im gleichen Jahr vereinbarten Österreich und Italien einen Staatsvertrag zum Tunnelbau, der auch von Deutschland begrüsst wurde. Doch aus dem geplanten Baubeginn 2006 wurde nichts. Zu gross waren die Widerstände in Bevölkerung und Politik. Im April 2008 begannen schliesslich die ersten Erkundungsbohrungen.
Im März 2015 erfolgte mit dem offiziellen Tunnelanstich für den Hauptstollen im Innsbrucker Ahrental die heisse Bauphase. Wenn der Winterfahrplan der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) im Dezember 2026 in Kraft tritt und es zu keinen weiteren Verzögerungen mehr kommt, könnte der erste Zug in Innsbruck im Felsmassiv der Alpen verschwinden und erst 64 Kilometer später, in Franzensfeste in Südtirol, wieder auftauchen.
Der rund 8,5 Milliarden Euro teure Tunnel wird aus zwei 8,1 Meter breiten Röhren bestehen, die in einem Abstand von 70 Meter verlaufen. Sie sind eingleisig, sodass die Züge im Einbahnverkehr durch die beiden Tunnels fahren. Die Fahrtzeit zwischen Innsbruck und Bozen soll sich damit halbieren. Und aus den derzeit 250 Zügen pro Tag, von denen rund die Hälfte Güter transportieren, könnten theoretisch 484 werden.
Damit das tatsächlich möglich wird, müsste sich allerdings auch auf den Zulaufstrecken – in Deutschland von München über Rosenheim nach Kufstein sowie in Italien mit der Umfahrung von Verona, Bozen und Trient – etwas bewegen. Doch trotz aller Absichtserklärungen stocken die Planungen vor allem im bayerischen Inntal. Frühestens 2017 könnte hier ein grober Streckenverlauf für die neue Trasse gefunden sein. Bis zu einer möglichen Fertigstellung dauert es dann noch einmal 20 bis 30 Jahre.
Foto: BBT SE
Kennzahlen zum Brenner-Basistunnel
Länge: 64 Kilometer
Maximale Steigung: 6,7 Promille
Bauzeit: 2015 – 2026
Teil 1: Der Lötschberg