Längere Züge bringen mehr Güter

Während am Gotthard und in Frankreich bereits 1,5 Kilometer lange Güterzüge erfolgreich Testfahrten absolvieren, wird in Deutschland noch über einen Ausbau des Schienennetzes für 740 Meter-Züge diskutiert.

Zug der DB Cargo, Güterzüge

Mehrmals fuhr Anfang Februar ein Güterzug mit drei Loks und 76 leeren Waggons durch den Gotthard-Basistunnel und wieder zurück: 1,5 Kilometer lang und 2216 Tonnen schwer. Mittlerweile ist der Versuch ausgewertet. «Die Tests verliefen positiv. Wir wissen nun, dass unsere Technik und Infrastruktur für solche Züge bereit wären», verrät Olivia Ebinger vom Bundesamt für Verkehr.

Doch während in den USA, Kanada oder Australien bereits Giga-Züge von mehr als vier Kilometer Länge unterwegs sind, bezweifelt sie deren Sinn für die Schweiz: Die Durchfahrt blockiert die Trasse und muss deshalb längerfristig geplant werden, ausserdem brauchen lange Züge mehrere Loks und sind beim Anfahren und Bremsen sehr träge. «Der Trend geht deshalb eher in Richtung 750 Meter lange Züge, diese können schneller und auch geografisch viel flexibler eingesetzt werden», so Olivia Ebinger.

Doch selbst diese Länge ist in Europa noch längst nicht überall Realität. In Deutschland sprachen sich in diesem Sommer die Chefs von DB Cargo, SBB Cargo International, der Havelländischen Eisenbahn und der Hamburger Hafenbahn in einer gemeinsamen Erklärung dafür aus, das Schienennetz flächendeckend für den Einsatz normallanger Güterzüge von 740 Metern Länge zu ertüchtigen. Denn das verbessere die Wirtschaftlichkeit, senke die Kosten der Transporte und optimiere die Auslastung des Schienennetzes.

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Die Längen der Güterzüge in Deutschland.

Dadurch könne eine grössere Anzahl an Gütern transportiert werden, ohne neue Strecken bauen zu müssen.Mit dem gezielten Aufbohren einiger Flaschenhälse im deutschen Netz sei – bei überschaubarem Aufwand – ein grosser volkswirtschaftlicher Nutzen zu erzielen. Denn aktuell verkehren wegen oft nur geringfügiger Netzbeschränkungen lediglich 11 Prozent der Güterzüge in dieser Standard-Länge. 64 Prozent sind sogar kürzer als 600 Meter.

«Mit wenig Geld lässt sich ein grosser Effizienzschub erreichen, wenn die Zuglänge auf 740 Meter wächst», betont auch Michail Stahlhut, CEO von SBB Cargo International. Auf der Nord-Südachse von den Seehäfen nach Italien durch den neuen Gotthard-Basis-Tunnel könne die Güterverkehrsmenge der Schiene aus dem Stand um ein Drittel gesteigert werden: «Das ist eine Mega-Chance für den europäischen Schienengüterverkehr.» Deshalb sollten die Anrainerstaaten ihr Schienennetz ebenfalls für längere Güterzüge ausbauen. Italien mache sein 740 Meter-Netz bereits fit, während entsprechende Pläne in Deutschland überraschenderweise noch auf Eis lägen.

Mittlerweile zeichnet sich allerdings ein Umdenken ab. So sprachen sich neben dem Umweltbundesamt auch die Verkehrsminister der Länder einstimmig für eine durchgängige Befahrbarkeit des Netzes mit 740-Meter-Zügen aus. Auch nach einem Beschluss der EU Kommission sollen «spätestens im Jahr 2030 alle Strecken des europäischen Kernnetzes für mindestens 740 Meter lange Züge geeignet sein». Schliesslich holt jeder einzelne Zug, der mit dieser Länge unterwegs ist, die Ladung von acht Lastwagen zusätzlich von der Strasse und reduziert so die klimaschädlichen CO2-Emissionen.

«Frankreich testet bereits 1500 Meter lange Güterzüge, ab 2018 sollen 1000 Meter lange Züge regulär unterwegs sein. Und in Deutschland ist das Netz nicht mal für normallange Güterzüge von 740 Metern durchgängig befahrbar», kritisiert Maria Leenen, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens SCI Verkehr, die Versäumnisse der Politik. Um die Vorteile des Bahnsystems gegenüber dem Lastwagen wirklich ausspielen zu können, müssten die Güterzüge schnell länger werden.

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