Von Busto Arsizio nach Antwerpen

Ein ganz normaler Job: Wir begleiten eine Sendung der niederländischen Logistikfirma BAS, die mit dem Shuttlezug Nummer 40240 vom Hupac-Terminal in Busto Arsizio bis zum Hupac-Terminal in Antwerpen transportiert wird. 1092 Schienenkilometer in 1 Tag, 2 Stunden und 36 Minuten. Die Ladung: 25 760 Kilogramm ungefährliche chemische Flüssigkeit.

Mittwoch, 7. September, Busto Arsizio, Italien.

16.30 Uhr: Tomas Bystriansky macht seine Frachtpapiere parat. Er kennt sich aus bei der Hupac, manchmal bringt er in einer einzigen Woche fünf Sendungen ins Terminal.

16.35 Uhr: Valentina Bombonati vom Check-in prüft die Frachtpapiere und die Buchungsdaten. Die Ladung: 25 760 Kilogramm verpackte Chemikalien. Gewicht inklusive Container: 33 140 Kilogramm. Geliefert für den Zug Nummer 40240 mit Bestimmung Hupac-Terminal in Antwerpen. Alles in Ordnung.

16.39 Uhr: Tomas Bystriansky fährt zum Abladeplatz. Das Areal ist optimal ausgeschildert, es gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 10 Stundenkilometern. Und absolutes Rauchverbot. Alle Sektoren sind mit einer Lade- und einer Fahrspur ausgerüstet.

16.46 Uhr: Zug Nummer 40240 steht schon bereit. Kranführer Gregorio Lo Sapio fährt seinen Portalkran heran und positioniert die Greifarme in die verstärkten Greifkanten des Sattelaufliegers. Nur wenige Sekunden später …

16.46 Uhr: … schwebt der Sattelauflieger über dem Bahnwagen, einem Taschenwagen mit dreifach höhenverstellbarem Stützbock.

16.47 Uhr: Terminal-Mitarbeiter Emanuele Bazzano stellt sicher, dass der Königszapfen des Sattelaufliegers richtig in den Stützbock einklinkt. Er gibt dazu dem Kranführer per Handzeichen und Funkgerät zentimetergenaue Anweisungen.

Donnerstag, 8. September Fascio Hupac bis Bellinzona.

Donnerstag, 8. September, 2.15 Uhr: Im Verlauf des Mittwoch-Nachmittags ist der Zug beladen worden. Der Wagenmeister hat jeden einzelnen Wagen und jede Ladung noch mal kontrolliert, nun steht der Zug bereit: 24 Bahnwagen, 48 Ladeeinheiten, ohne Lokomotive 521 Meter lang und 1294 Tonnen schwer.

5.07 Uhr: Die Rangierlok kommt, eine D100-100 HU mit 80 Tonnen Gewicht und 1000 Kilowatt Kraft, 14,62 Meter lang. Lokführer Ruggiero Tinelli zieht den Zug aus dem Verlade- Gelände zum Übergabegleis Fascio Hupac gleich nebenan. Das Areal ist der Abfahrts- und Ankunftspunkt sämtlicher Züge und sozusagen der Eintritt ins elektrifizierte Schienennetz.

5.45 Uhr: In der Hupac-Leitstelle gleich nebenan überwacht Fahrdienstleiter Pasquale Milano den Transfer des Zugs Nummer 40240 vom Terminal zum Gleis 1 des Fascio Hupac.

5.45 Uhr: Auch Lokführer Duilio Gentilini macht sich für die Fahrt parat. Er kontrolliert den internationalen Bremszettel und gibt die nötigen Daten in den Bordcomputer der Lok ein. Die von Hupac übergebenen Beförderungspapiere befinden sich in einem grossen Briefumschlag und bleiben bis Antwerpen in der jeweiligen Lok.

6.22 Uhr: Weil er die Vorbeifahrt eines anderen Zuges abwarten musste, dockt Duilio Gentilini die Lokomotive etwas später als vorgesehen an den bereitstehenden Zug an. Die Lok Klasse 189-F Typ 47, 8000 Kilowatt Power und 86 Tonnen schwer, gehört der SBB Cargo International, sie ist der Traktionär dieser Reise. Das Ankunfts- und Abfahrtsgelände

6.53 Uhr: Sobald Pasquale Milano das Okay von der FS-Leitstelle erhält, erteilt er grünes Licht für Zug Nummer 40240. Mit 39 Minuten fahrplanmässiger Verspätung kann die Fahrt endlich losgehen.

7.24 Uhr: Konzentriert fährt Duilio Gentilini Richtung Schweizer Grenze. Die Luino-Linie ist veraltet, kurvenreich und über weite Strecken eingleisig. Deshalb drosselt der Lokführer das Tempo stellenweise auf 40 Stundenkilometer und beschleunigt wieder auf maximal 90 Stundenkilometer.

8.31 Uhr: Nach Luino überquert der Zug die Grenze zur Schweiz. Ein Zwischenstopp zur Zollkontrolle ist nicht nötig: Sämtliche Zollformalitäten für die gesamte Strecke sind am Vortag per Computer abgewickelt worden. Die Luino-Linie wird bis 2020 ausgebaut.

8.40 Uhr: Dem Lago Maggiore entlang fährt der Zug weiter Richtung Bellinzona.

9.00 Uhr: Lokführerwechsel in Bellinzona. Duilio Gentilini übergibt den Zug an Franco Menghetti. Dieser setzt den Zug so sanft in Bewegung, als würde er ein schlafendes Kind aus der Wiege heben. Ein in der Lok eingebauter digitaler Frequenzund Spannungsumwandler verhindert jedes Ruckeln beim Anfahren. Fahrplanmässig um 9.21 Uhr geht die Fahrt weiter – die Verspätung von Busto Arsizio ist eingeholt.

Von Bellinzona durch den Gotthard nach Arth-Goldau.

9.24 Uhr: Kurz nach Bellinzona ist die Strecke mit dem digitalen European Train Control System ETCS ausgerüstet. Die Signalisation ändert entsprechend: Die Schilder geben dem Lokführer keine Instruktionen mehr, sondern weisen ihn lediglich darauf hin, dass hier ein digitaler Sendepunkt ist. Die jeweiligen Impulse kann Franco Menghetti auf seinen Computern im Lokführerstand ablesen.

9.50 Uhr: In Pollegio steht der Kommando-Tower des Gotthard-Basistunnels. Franco Menghetti erhält den Befehl, den Zug anzuhalten, weil der Weg nicht frei ist. Der Tunnel befindet sich noch in der Testphase, deshalb darf nur ein einziger Zug im Tunnel sein.

9.53 Uhr: Vom Tower kommt die Streckenfreigabe. Los geht die Fahrt durch das Schweizer Jahrhundertbauwerk.

9.57 Uhr: Wir sind drin! Das digitale Kontrollsystem ETCS übernimmt die Lokomotive: Der Autopilot löst den Lokführer ab.

10.15 Uhr: Beeindruckend: Mit konstanten 100 Stundenkilometern fährt der Zug durch den flachen Tunnel. Im Gegensatz zu Personenzügen bleibt die Geschwindigkeit für Güterzüge auf dieses Tempo beschränkt, weil die Bahnwagen für dieses Fahrtempo gebaut und zugelassen sind.

10.32 Uhr: Nach 57,1 Kilometern und 35 Minuten Fahrt taucht das buchstäbliche Licht am Ende des Tunnels auf, und der Zug kommt …

10.33 Uhr: … in Erstfeld wieder ins Freie. In Brunnen wird die Signalisation entlang der Linie von ETCS wieder ins herkömmliche System wechseln. Vorher checkt ein an der Schiene montierter Sicherheitsmesspunkt mit Laser bei voller Zuggeschwindigkeit das Gewicht pro Wagenachse, das Profil der transportierten Einheiten und die Temperatur der Bremsen.

10.58 Uhr:Nach einer Fahrtentlang des lauschigen Vierwaldstätterseestrifft der Zug fahrplanmässigim Bahnhof Arth-Goldau ein.

11.00 Uhr: Lokführerwechsel. Franco Menghetti übergibt den Zug an Mario Lochau. Nur zwei Minuten später fährt der Zug gemäss Fahrplan weiter.

Von Boswil nch Muttenz.

11.34 Uhr: Der Zug passiert Boswil, alles läuft nach Plan. Dank moderns-ter Technik verursachen die Räder der Bahnwagen sehr viel weniger Lärm als bei älteren Modellen: 78 bis 81 Dezibel statt wie früher 90 bis 94 Dezibel.

2.56 Uhr: Eine Minute vor Plan trifft der Zug im Rangierbahnhof Basel SBB in Muttenz in der Gleisgruppe G ein. Diese Gleisgruppe ist der Ausgangs-punkt für die nach Norden abfahren-den Züge. Mario Lochau erhält einen neuen Fahrauftrag, während Zug 40240 einen zweistündigen fahrplan-mässigen Halt hat.

14.35 Uhr: Roland Dürig, Gefahrgutbeauftragter von SBB Cargo International, kontrolliert mit Hilfe der Wagenliste die mit Gefahrgut beladenen Behälter im Zug. Sein Hauptaugenmerk gilt der vorschrifts-gemässen Kennzeichnung gemäss den internationalen Regelungen des Transports von Gefahrgut. Zusätzlich überprüft er, ob die Behälter korrekt verladen wurden und ob allenfalls Beschädigungen erkennbar sind. Bei Zug 40240 gibt es nichts zu beanstanden. Solche Zug-kontrollen erfolgen stichprobenweise.

14.49 Uhr: Lokwechsel. Die Lok Typ 482 ist kürzer und leichter als Typ 47, dafür ist sie als sogenannte Zweisystemlok mit der IT sowohl für das Schweizer als auch für das deutsche Eisenbahnnetz ausgerüstet. Der übernehmende Lokführer Uwe Anders koppelt die Lok gleich selber an den Zug.

15.19 Uhr: Roland Dürig übergibt dem neuen Lokführer Uwe Anders den Umschlag mit den Beförderungspapieren sowie den internationalen Bremszettel. Pünktlich verlässt Uwe Anders Muttenz Richtung Deutschland. Er ist angestellt bei der SBB Cargo Deutschland, einer Tochtergesellschaft der SBB Cargo International.

Freitag, 9. September von Köln nach Antwerp.

Freitag, 9. September Köln, Deutschland, 00.56 Uhr: Nach einem weiteren Lokführerwechsel in Mannheim-Friedrichsfeld trifft der Zug zehn Minuten früher als im Fahrplan vorgesehen im Güterbahnhof Köln Eifeltor ein. Hier kommt es zum ersten Richtungswechsel: Die Lok wird abgehängt, fährt ans Ende des Zuges…

1.04 Uhr: … und wird dort wieder angehängt. Mit einem neuen Lokführer geht die Reise um 2.38 Uhr weiter.

3.51 Uhr: Ankunft im Güterbahnhof Aachen West. Hier wechseln erneut die Lok, der Lokführer und zum zweiten Mal die Richtung: Die SBB-Lok, die den Zug von Köln bis hierher «verkehrtherum» gezogen hat, wird abgehängt. Am «vorderen» Ende des Zuges dockt eine HLE28 aus der Traxx-Linie von Bombardier an, sie gehört dem belgischen Hupac-Partner B-Logistics. Auch der Lokführer ist ein Belgier. Um 4.48 Uhr fährt der Zug fahrplanmässig weiter …

7.40 Uhr: … und erreicht bei Sonnenaufgang in Belgien den Güterbahnhof Antwerpen Nord, Abteilung D.

7.45 Uhr: Die belgische Lok wird umgehend entkoppelt und fährt ihrem nächsten Auftrag entgegen.

.45 Uhr: Gleichzeitig registriert Alice Rossini in der Leitstelle Chiasso die Ankunft des Zuges. Über das Kunden-Informationssystem Cesar wird die BAS-Zentrale im holländischen Etten-Leur informiert, dass der Zug Nummer 40240 mit der Sendung BASA004307-1 pünktlich im Hupac-Terminal abgeholt werden kann.

8.14 Uhr: Nach knapp einer halben Stunde fahren gleich zwei Siemens-Dieselloks des Typs 77 heran und holen den Zug ab. Sie werden ihn vom Güterbahnhof durch das riesige Hafengelände zum Hupac-Terminal ziehen…

.05 Uhr: … und dabei auch eine der Hauptstrassen des Hafens überqueren. Die beiden Loks sind in der Zwischenzeit woanders hingefahren. Eine neue Lok wird einen Richtungswechsel vornehmen und den Zug ins Terminal stossen.

9.29 Uhr: Der Zug trifft im «Hupac Terminal Antwerp» ein, Kurzform HTA. Es liegt am Quai 468 des Hafens von Antwerpen und gehört zu 100 Prozent der Hupac. Gleichzeitig ist die Hupac zu 35 Prozent an einem weiteren Terminal im Industriegebiet von Antwerpen beteiligt, dem Terminal Combinant.

9.29 Uhr: Passgenau steht der Zug auf dem 600 Meter langen Gleis 1

9.32 Uhr: Rangierer Atteo Goossens entkoppelt die Lok vom Zug und fährt mit Lokführer Bruno Vandevelde zurück zum Güterbahnhof, um den nächsten Zug abzuholen. Beide sind Mitarbeitende von B-Logistics.

9.32 Uhr: Derweil meldet sich BAS-Chauffeur Jan van Andel im Empfang des Bürogebäudes des Terminals an, um den Container mit der Code-Nummer BASA004307-1 abzuholen. Dazu muss er eine Bewilligung haben. Diese erhält er in Antwerpen durch die ID-Karte Alfapass.

Die Geschichte stammt aus: «Richtung vorwärts – Wie Hupac seit 50 Jahren die Lastwagen von der Strasse holt»

Mehr als eine Firmengeschichte für Branchenkenner: Dieses Buch ist auch eine exakt aufgearbeitete Chronik der schweizerischen und der europäischen Verkehrspolitik und ein Spiegelbild des gesellschaftlichen Wandels.

Ein Kompendium für alle, die sich für die Bahn, für Logistik und Verkehrspolitik interessieren.

Christian Hug, Jahrgang 1965, aus Stans begann mit 16 bei der Regionalzeitung zu schreiben und verdiente nach dem abgebrochenen Deutschstudium sechs Jahre lang sein Einkommen als Lektor bei «Vaterland»/Luzerner Zeitung»/«Neue Luzerner Zeitung». Danach arbeitete er zwei beziehungsweise vier Jahre bei der «Schweizer Familie» und der «Schweizer Illustrierten» als Redaktor, bevor er sich im Jahr 2002 selbständig machte. Seither ist er freier Journalist, Redenschreiber, Kolumnist und Textdienstleister für Unternehmen und Personen.

Mittwoch, 7. September, Busto Arsizio, Italien.

Donnerstag, 8. September Fascio Hupac bis Bellinzona.

Von Bellinzona durch den Gotthard nach Arth-Goldau.

Von Boswil nch Muttenz.

Freitag, 9. September von Köln nach Antwerp.

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