Gewappnet für den Klimawandel, Teil 2

Starkniederschlag und Hitze: beides nimmt zu. Wie können die Auswirkungen auf Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitende möglichst klein gehalten werden? Dazu arbeitet die SBB an zahlreichen Projekten, die auch für den Güterverkehr zentral sind.

Arbeitsbeginn in den frühen Morgenstunden. Danach einige Stunden Siesta, bevor der Arbeitstag gegen Abend weitergeht. Ist dies das normale künftige Arbeitszeitmodell für Mitarbeitende, die im Freien arbeiten? Diese Frage wird sich in Zukunft sicherlich stellen, neben vielen weiteren. Mit den Herausforderungen in Zusammenhang mit dem Klimawandel beschäftigt sich die SBB bereits seit einiger Zeit.
In der Schweiz werden Hitzewellen mit heissen Tagen und Nächten häufiger und extremer. Dies ist nur eine der verschiedenen Klimaveränderungen, die bereits im Gange sind. Katrin Neuhaus Weber, Fachexpertin Nachhaltigkeit bei der SBB, erklärt: «Wir kennen die Auswirkungen des Klimawandels und müssen uns anpassen. Das Ziel ist, die Auswirkungen des veränderten Klimas auf Kundinnen und Kunden, Mitarbeitende, Infrastruktur und Rollmaterial möglichst klein zu halten.» Wie das geht? Durch Anpassungsmassnahmen in verschiedenen Bereichen.  

Naturgefahren sind kein neues Thema 

SBB Cargo leistet einen wesentlichen Teil zum Klimaschutz in der Schweiz. Dies durch die Reduktion von CO2 und eine höhere Energieeffizienz im Vergleich zum Strassentransport. Wenn Güter auf der Schiene transportiert werden, braucht das siebenmal weniger Energie als auf der Strasse.  
Gleichzeitig ist aber auch eine Anpassung an den Klimawandel notwendig. Dazu sind verschiedene Massnahmen, Projekte und Studien bei der SBB am Laufen. «Naturgefahren sind für uns grundsätzlich kein neues Thema» sagt Katrin Neuhaus Weber. So sorgen heute beispielsweise rund 8700 Hektar Wälder für den Schutz des Bahnnetzes. Die vermehrten Hitze- und Trockenperioden und die damit verbundene erhöhte Waldbrandgefahr erfordern aber Anpassungen im Aufbau und in der Bewirtschaftung der Schutzwälder. Eine der Massnahmen ist, die Vielfalt der Baumarten zu erhöhen.  

Klimawandel: Rutschungen und Felsstürze treten heftiger und häufiger sowie an neuen Orten auf.

Wo wird es wie heiss? 

Neben Lawinen und Steinschlag gibt es mittlerweile ein weiteres Risiko für die Infrastruktur: die steigende Hitze. Bei starker Hitze besteht die Gefahr von Gleisverwerfungen. «Die Infrastruktur geht generell schneller kaputt», sagt Katrin Neuhaus Weber und konkretisiert: «Dies betrifft nicht nur Gleise, sondern auch Fahrleitungen, Strommasten oder Sicherungsanlagen.» Entsprechend werden im Bereich Infrastruktur verschiedene Massnahmen umgesetzt wie das temporäre Kühlen von Gleisen. Dazu wird Wasser aus einem Tankwagen auf die Gleise gesprüht. Damit kann sichergestellt werden, dass die Gütertransporte pünktlich und ohne Unterbrüche von A nach B gelangen. 

In Extremsituationen kühlt die SBB mittels Tankwagen die Gleise.

Alternativ dazu gibt es die Möglichkeit einer dauerhaften Anpassung der Gleise an den Klimawandel. So werden Gleise an besonders exponierten Stellen vor dem Schweissvorgang auf eine vorbestimmte Temperatur aufgeheizt, wodurch sie sich bereits leicht ausdehnen. Verwerfungen werden damit reduziert, so dass keine Gefahr mehr für Entgleisungen besteht. 
Gleichzeitig wappnet sich die SBB auch für die Zukunft. Mittels Klimadaten von Meteoschweiz kann prognostiziert werden, wo sich die Klimaveränderung auf einzelne Anlagen auswirkt. «Damit können wir voraussagen, wie viel heisser es künftig beispielsweise am Rangierbahnhof Limmattal sein wird», weiss die Fachexpertin Nachhaltigkeit. Die Verantwortlichen können entsprechend bereits jetzt Massnahmen ergreifen – zum Schutz von Mitarbeitenden ebenso wie zur Sicherstellung eines reibungslosen Betriebs. 

Lieferketten: Chancen und Risiken

Neben konkreten Massnahmen beteiligt sich die SBB auch an verschiedenen Studien. So beispielsweise an einer SUVA-finanzierten Studie zu den Auswirkungen von hohen Umgebungstemperaturen auf den körperlich arbeitenden Menschen. Weitere Untersuchungen betreffen die Kosten des Klimawandels für die Schweiz oder dessen Folgen für die Lieferketten. 

Die SBB beteiligt sich an SUVA-Studie: Wie wirken sich hohe Temperaturen auf körperlich arbeitende Menschen aus?

Wie rasch Letztere ins Stocken geraten können, wurde 2021 deutlich, als das Containerschiff «Ever Given» mitten im Suezkanal auf Grund lief. Generell steigt das Risiko für die Schifffahrt mit fortschreitenden Veränderungen. Wetterextreme sorgen für Hoch- oder Niedrigwasser, die Schiffe können entsprechend nicht mehr fahren. Folglich kommen die Güter verspätet im Hafen von Basel an. «Diese Situation könnte aber auch eine Chance sein für den Schienengüterverkehr», überlegt Katrin Neuhaus Weber. Funktioniere der Schifftransport beispielsweise auf dem Rhein nicht mehr, könne allenfalls der alpenquerende Schienengütertransport eine Alternative sein.  

CO2-Transport auf der Schiene als Chance

Auch wenn die Risiken des Klimawandels überwiegen, gibt es noch weitere Chancen für den Güterverkehr per Bahn. So die Erzeugung von negativen Emissionen: Dies ist eine zentrale Massnahme zur Erreichung der CO2-Neutralität. «Die permanente Speicherung von CO2 im Boden wird kommen, auch wenn dies sehr teuer ist und viel Energie braucht», meint Katrin Neuhaus Weber. Der Transport des CO2 erfolgt dann via Pipelines oder auf der Schiene. Denn Speichermöglichkeiten für CO2 gibt es in der Schweiz noch keine. In Island hingegen bestehen dafür bereits seit einigen Jahren sogenannte geologische Reservoirs.  

Anpassung ans Klima als ständiges Thema

«Im Bereich Klimaanpassungen laufen aktuell viele weitere Projekte bei uns», sagt Katrin Neuhaus Weber. Der wichtigste Punkt gehe aber darüber hinaus. Klimaschutz und die entsprechenden Anpassungen seien keine separaten Projekte, sondern müssten bei allen Vorhaben immer mitgedacht werden: «Überall müssen wir uns die Frage stellen: Wie können wir CO2 einsparen? Wie können wir uns anpassen?». Macht ein Angebot oder ein Produkt in Zukunft überhaupt noch Sinn, wenn es heftiger regnet oder heisser ist?  
Diese Fragen stehen in verschiedenen Bereichen seit einiger Zeit zur Diskussion. Vielleicht wird eine Siesta wie in Spanien oder Italien irgendwann eine Antwort sein? Was jetzt schon klar ist: Eine Veränderung zusammen mit dem Klima ist notwendig – für die Mitarbeitende ebenso wie für die Kundinnen und Kunden des Güter- und des Personenverkehrs. 

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