Beobachtet man Ivon bei ihrer täglichen Arbeit in Olten, fällt schnell auf, dass sie nur einige Zentimeter von ihrem Bildschirm entfernt sitzt, eine Lupe vor sich und ein Headset im Ohr. Ivon ist fast blind. Mit einem Sehvermögen von nur 2 % arbeitet sie als Product Ownerin im Transportdesign bei SBB Cargo, ist Mutter zweier Kinder, absolviert neben ihrem Vollzeitjob zusätzlich ihren Master und startet diese Woche bei der Paraclimbing-WM in Bern.
«Es gibt ganz viele unterschiedliche Facetten einer Behinderung und viele davon haben auch Vorteile für den Job bei SBB Cargo und das Unternehmen», erzählt Ivon. «Ich arbeite zum Beispiel extrem fokussiert und effizient und habe gelernt, Systeme so weiterzuentwickeln, dass sie für mich in meiner täglichen Arbeit unterstützend sind.» Von der Bahnwelt ist Ivon schon lange fasziniert. Seit über 20 Jahren arbeitet sie nun schon bei der Bahn. Zuerst in Deutschland und seit 11 Jahren bei SBB Cargo in verschiedenen Positionen. Momentan ist sie Product Ownerin im Transportdesign und verantwortlich für das Traffic Management System (TMS), das Digitalisierungsprojekt der Fahrplansysteme. «Die Langfristigkeit und das strategische Denken in diesem Projekt begeistern mich enorm. Das TMS-Projekt läuft über mehrere Jahre bis mindestens 2028», meint Ivon. Der gesamte Bereich des Transportdesigns sei ein Zusammenspiel von Ressourcen und komplexen Faktoren, die es zu verstehen gilt, um die Kundenbedürfnisse im Rahmen des bestehenden Angebotes zu erfüllen. Dass dabei zusätzlich politische Vorgaben einen Einfluss haben, macht die Arbeit im Transportdesign umso spannender.
Inklusion bei SBB Cargo
In ihrer Rolle ist die Zusammenarbeit mit Ansprechspartner:innen und im Team zentral. Wie das als fast blinde Mitarbeiterin funktioniert? «Meine Teamkolleg:innen wissen zum Beispiel, dass sie wichtige Informationen am Anfang des Textes platzieren müssen. Denn natürlich mag ich es nicht, seitenlange Texte zu ‘lesen’», meint sie schmunzelnd. Zudem sind sich ihre Kolleg:innen bewusst, dass sie sich immer mit ihrem Namen bei Ivon anmelden müssen, damit sie weiss, wer ihr Gegenüber ist.
«Inklusion ist bei uns im Transportdesign alltäglich und Normalität. Wir sprechen ganz offen über meine Behinderung.» Natürlich findet sich Ivon wegen ihres fehlenden Sehvermögens auch in lustigen Situationen wieder. «Ich erinnere mich noch genau daran, als ich mich an meinem dritten Arbeitstag bei SBB Cargo beim Morgenkaffee ganz selbstverständlich an den falschen Tisch setzte und einige Sekunden brauchte, um zu begreifen, dass das ja gar nicht mein Team ist», erzählt sie lachend. Seit da scharen sich ihre Teamkolleg:innen um sie wie ihre persönlichen Bodyguards.
Paraclimbing und Büroalltag: Beides eine Sache von Teamwork
Dass Ivon neben einem Vollzeitjob, Familie und Studium ein aussergewöhnliches Klettertalent ist, ist inspirierend. «Ich habe trotz meinem fehlenden Sehvermögen immer davon geträumt, in den Bergen unterwegs zu sein», erzählt sie. Heute hat sie schon so einige Viertausender auf ihrer Liste abgehakt. Anfang August startet sie zudem an der Paraclimbing-WM in Bern für das deutsche Nationalteam. Paraclimbing hat Ivon geduldiger gemacht und sie gelehrt, dass für eine gute Leistung kontinuierliches Training notwendig ist. «Das gilt im Sport sowie auch im Berufsleben», erläutert sie. Zudem funktioniert Ivon, genau wie auch in ihrem Job bei SBB Cargo, beim Paraclimbing nur im Team. Aufgrund ihrer Sehbehinderung ist sie auf einen Ansager angewiesen, der ihr sagt, wo sich der nächste Griff befindet. Genau gleich ist es in ihrer Tätigkeit im Transportdesign: «Ich funktioniere super, wenn ich meine Kompetenzen mit den Kompetenzen von anderen ergänze.»
Gemeinsam die Zukunft gestalten
Ivons Tätigkeit im Transportdesign bei SBB Cargo und ihr unermüdliches Engagement neben dem Beruf beeindrucken. Mit einem starken Team im Rücken wird Ivon die Digitalisierung von Planungsprozessen weiter vorantreiben, während sie nebenbei an Kletterwänden schwindelerregende Höhen erklimmt. Denn eines ist klar: Inklusion soll kein Zwang, sondern Selbstverständlichkeit sein. Und dass das prima funktioniert, zeigen Ivon und ihre Kolleg:innen jeden Tag aufs Neue.
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Über das Transportdesign
Der Bereich Transportdesign entwickelt und verantwortet das Produktionskonzept auf Basis der Kunden- und Marktbedürfnisse. Dies beinhaltet unter anderem Tätigkeiten wie die langfristige Kapazitätssicherung für den Schienengüterverkehr in der Schweiz, die Fahrplangestaltung und die Bedarfsplanung der Produktionsressourcen (wie beispielsweise Loks und Lokpersonal).
Ivon arbeitet als Business Analyst im Transportdesign. In ihrer Rolle baute Ivon das Trassenkostenmanagement auf und verankerte dieses im Unternehmen. Zusätzlich war Ivon verantwortlich für den Aufbau eines Solution Teams, das sich einem Digitalisierungsprojekt im Bereich Trassenplanung widmet – das Traffic Management System (kurz TMS). Heute leitet sie dieses Team als Product Ownerin. Das TMS löst ein bisheriges Trassenverwaltungstool ab und gilt als Grundbaustein, um den Fahrplanprozess in eine digitale, wertschöpfende Zukunft zu überführen. Das TMS bei SBB Cargo berücksichtigt die spezifischen Bedürfnisse des Güterverkehrs, verkürzt Prozesszeiten und minimiert Fehleranfälligkeiten und manuelle Tätigkeiten im Fahrplanbestellprozess.